Buchempfehlungen / Rezensionen

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Jens Schild

 

Wichern als Innovator

– Diakonie als Gabenökonomie

 

Entrepreneurship in der Gründung

und dem Aufbau des Rauhen Hauses

 

354 Seiten, LIT Verlag Berlin,

Preis als Buch: 39,90 €

 

Dies ist ein wissenschaftliches Buch, dem die Doktorarbeit von Bruder Jens Schild zugrunde liegt. Für mich hat es viele interessante Informationen u.a. über die gesellschaftlichen Umstände in Hamburg zur Gründungszeit des Rauhen Hauses. Auch über Wichern wusste ich vieles nicht. So kann man nicht sagen, dass er „der Gründer“ des Rauhen Hauses war. Wichtig waren dafür auch die bedeutenden Hamburger Bürger Johann Wilhelm Rautenberg, Martin Hieronymus Hudtwalker und Karl Sieveking. Wichern war aber wichtig, weil er es verstand, verschiedene Elemente zusammenzuführen: die Betreuung von armen Kindern, die Ausbildung von „Erziehungsgehilfen“, die Gewinnung von Spendern. Ein Mensch mit dieser Fähigkeit wird in der Wirtschaftswissenschaft als Entrepreneur bezeichnet. Er hat die Fähigkeit zur Verwirklichung neuer Ideen, Risikobereitschaft und enormem Mut. Der Begriff Gabenökonomie stellt dar, dass das Rauhe Haus lange Zeit ausschließlich von Spenden lebte und keinerlei kirchliche oder staatliche Unterstützung bekam.

Das wird im Buch von Jens Schild gut und lebendig dargestellt. Man braucht etwas Geduld, die vielen Informationen zu lesen und zu verstehen, aber es lohnt sich!

Bei mir hat das Buch aber auch die Frage angestoßen, wie weit Wicherns Fähigkeiten und Unternehmungen noch heute in der Diakonie und z.B. auch in unseren Bemühungen bei DAGS wirksam sind: Wie verbinden wir uns mit anderen, um unseren Zielen näher zu kommen? Wie gut verknüpfen wir verschiedene Hilfeleistungen, wie Wichern es z.B. mit der Tätigkeit von Erziehern und Ihrer Ausbildung getan hat.? Wie wichtig ist in der Diakonie noch die „Gabenökonomie“ oder ist sie mehr „kapitalistisch“ gewinnorientiert und auf Ausweitung bedacht? Über solche Fragen möchte ich gern diskutieren.

 

 

 

Walter Hamann

Ulrike Herrmann

Das Ende des Kapitalismus

4. Auflage, Sept. 2022

ISBN 978-3-4620-0255-3

als Buch: 24,00 €, als eBook 19,99 €

Kiepenheuer & Witsch

 

Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind- und wie wir in Zukunft leben werden.

Darin heißt es: Der Kapitalismus hat viel Positives bewirkt: Demokratie und Wohlstand, ein längeres Leben, mehr Gleichberechtigung und Bildung. Zugleich ruiniert er jedoch Klima und Umwelt, sodass die Menschheit nun existenziell gefährdet ist. Die Klimakrise ist kein Zufall, sondern zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie verbrennt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich daher vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt. Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen? Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1939.

Dies erläutert die Journalistin Herrmann ausführlich und belegt auch viele andere Thesen mit genauen Zahlen und Fakten. Ebenso schildert sie für mich glaubwürdig, dass wir alle nicht darum herum-kommen werden, dass wir weniger Lebensmittel, Kleidung, Autos(!) usw. haben werden. Die Aussicht, dass unsere Gesellschaften mit ihrer Politik, jetzt schon in die Hand nehmen, das derzeitige Streben nach Wachstum zu beenden, sieht auch Ulrike Herrmann noch nicht als wahrscheinlich an. Dann wird dieses Schrumpfen über uns kommen.

Ich wünsche mir sehr, dass wir über diese Inhalte mehr ins Gespräch kommen und auch überlegen, wie wir mit einer schrumpfenden Wirtschaft leben können und wollen, z.B. mit weniger Autofahren und und und.

Walter Hamann

 

 

Gunnar Merkens

 

Nirgendwo ein Land

Die Geschichte der Krankenschwester Farah Hareb

- Staatenlos -

 

ISBN 978-3-86674-823-1

als Buch: 14,00 €; als eBook: 11,99 €

 

Wenn man vom Schicksal der Krankenschwester Farah Hareb aus dem Libanon liest, welche in Deutschland als staatenlos gilt, meint man, „das darf doch nicht wahr sein“, wie Hannovers ehemaliger Bürgermeister Herbert Schmalstieg im Nachwort des Buches ausruft. Die unmenschlichen Erlebnisse, welche die Krankenschwester Farah Hareb mit der Ausländerbehörde in Hameln macht, da sie ihre Identität nicht dem Ansinnen der Ausländerbehörde entsprechend nachweisen kann, machen sprachlos. Und obwohl sie als Krankenschwester bei an Covid erkrankten Patienten auf der Intensivstation eines Krankenhauses arbeitet, wo jede helfende Hand gebraucht wird und dem Steuerzahler nicht auf der Tasche liegt, sondern Steuern zahlt, droht ihr die Abschiebung, weil ihr nach Jahren ohne Probleme die Arbeitserlaubnis nicht mehr verlängert werden soll. Sie gilt als staatenlos, da sie als Zweijährige ohne Geburtsurkunde, sondern nur mit einem Schreiben einer libanesischen Hebamme aus Beirut mit ihren Eltern aus dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Libanon nach Deutschland kam. Die Ausländerbehörde möchte eine Türkin mit dem Namen Ferha Demir und anderem Geburtsdatum aus ihr machen, da sie der Überzeugung ist, dass sie mit ihren Angaben und dem Schreiben der Hebamme nicht die Wahrheit sagt. Sie wuchs in Hameln auf, besuchte dort das Gymnasium, machte Abitur und legte das Examen als Krankenpflegerin ab. Später machte sie noch die Prüfung für die Tätigkeit auf einer Intensivstation. Nun wohnt die 36jährige mit ihrem Mann in Hannover, ist aber noch bei ihren Eltern in Hameln gemeldet, da sie als von Abschiebung bedrohte Ausländerin keinen anderen Wohnsitz einnehmen darf. Deshalb ist die Ausländerbehörde Hameln weiterhin für sie zuständig. Sie arbeitet in der Medizinischen Hochschule Hannover auf einer Intensivstation bei Covid-Patienten und ist damit eine dringend benötigte Fachkraft.

 

Es ist unbegreiflich, dass nunmehr die Ausländerbehörde in Hameln ihre Arbeitserlaubnis, welche in den letzten zehn Jahren befristet immer wieder für einige Monate verlängert wurde, nun nicht mehr verlängert werden soll. – Und zur gleichen Zeit hatte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versucht, in Mexiko und anderswo Pflegekräfte anzuwerben.

 

Man kann nur hoffen, dass die derzeitige Bundesregierung dieser Unmenschlichkeit des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer ein Ende setzt und der Krankenschwester Farah Hareb und allen anderen Menschen, welche als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und ihre Identität nicht mit einem von der Ausländerbehörde anerkannten Dokument nachweisen können, aber hier arbeiten, eine langfristige Arbeitserlaubnis erteilt. Eine auf ein Jahr oder kürzer befristete Arbeitserlaubnis ermöglicht keine Zukunftsplanung. Deshalb wagt die Krankenschwester Farah Hareb mit ihrem Mann nicht, ein Kind zur Welt zu bringen, da beide ihrem Kind keine sichere Zukunft garantieren können, obwohl sie sich sehnlichst eine Familie wünschen. Und die zeit ist für eine 36jährige Frau nur noch kurz.

 

Klaus-Rainer Martin 

Rüdiger von Fritsch

 

Zeitenwende

Putins Krieg und die Folgen

 

Aufbauverlag Berlin, 4. Vollständig überarbeitete Auflage, Juli 2022

ISBN 978-3-351-04176-2

als Buch: 18,00 €; als eBook 13,99 €

 

Der 1953 geborene Autor Rüdiger von Fritsch war bei der EU-Osterweiterung als Unterhändler der Bundesrepublik in Brüssel dabei, von 2010 bis 2014 Botschafter in Warschau und von 2014 bis 2019 Botschafter in Moskau. Sein Buch wurde zum SPIEGEL-Bestseller.

 

Mit rücksichtsloser Gewalt überfällt Wladimir Putins Russland die Ukraine und bringt sämtliche Eckpfeiler zum Einsturz, die den Frieden in Europa seit mehr als einem halben Jahrhundert gesichert haben.

 

Rüdiger von Fritsch fragt: In was für einer Welt werden wir morgen aufwachen? Wie wird Europa am Ende dieses Krieges aussehen? Als ehemaliger Botschafter in Moskau ist er Wladimir Putin oft begegnet. Sein Buch beschreibt, was diesen antreibt, was ihn stoppen könnte und was sein Krieg für uns bedeutet.

 

Kenntnisreich und analytisch klar beschreibt er die Vorgeschichte des russischen Angriffs auf die Ukraine und wie sich Wladimir Putins autoritäres Regime im Laufe der Zeit immer mehr innenpolitisch verhärtete und außenpolitisch verschanzte. Dabei zeigt er, dass der Westen mitnichten Russland gedemütigt habe und vor dem Kosovo-Krieg über die UN oder die OSZE Lösungen suchte, welche Russland allerdings verweigerte.

 

Fritsch beschreibt in seinem Buch den Mann, der diesen Krieg ausgedacht und befohlen hat. Er führt Wladimir Putins Verhalten zurück auf dessen Sozialisation durch den KGB, in welchem Verschwörungstheorien, die traditionelle Feindschaft zum Westen und die Annahme, dass dunkle Mächte im Ausland Russland vernichten wollen, eine zentrale Rolle spielten. Und er beschreibt die Erfahrungen des ehemaligen Geheimdienstmannes, welcher den Zusammenbruch der Sowjetunion als Trauma erlebte, als Verlust eines Viertels seines Territoriums, knapp der Hälfte der Bevölkerung und fast 50 Prozent des militärischen Potentials. Für Putin bedeutet das die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts".

 

Für alle, welche Putins Krieg, dessen Ausgang noch völlig ungewiss ist, und seine Folgen für die gesamte Menschheit nicht kalt lassen, ist dieses Buch lesenswert.

 

Klaus-Rainer Martin

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Gerhard Trabert

 

Am Abgrund der Menschlichkeit

Begegnungen mit Menschen auf der Flucht

 

Verlag adeo Asslar (Lahn-Dill-Kreis in Hessen),

in der Verlagsgruppe SMC (Stiftung Christliche Medien)

als Buch: 20,00 €

als eBook 15,99 €

 

Der Autor Gerhard Trabert, geboren 1956 in Mainz, ist ein deutscher Arzt für Allgemeinmedizin und Notfallmedizin, heute Professor für Sozialmedizin/Sozialpsychiatrie. Er ist Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland“. Im Februar 2022 kandidierte er als Parteiloser für die Partei der Linken für das Amt des Bundespräsidenten. Dabei war ihm klar, dass er gegen den amtierenden Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier keine Chance hatte. Doch er wollte die Kandidatur nutzen, um auf Armut und soziale Ungerechtigkeit in Deutschland hinzuweisen. Das ist ihm auch gelungen. In seiner Rede als Kandidat sagte er: „Armut macht krank und Krankheit macht arm.“ Er fand die Aufmerksamkeit des Bundespräsidenten. Am 4. März fand ein erstes Gespräch mit ihm stat. Weiterte werden folgen.

 

In seinem Buch schildert er Begegnungen mit Menschen auf der Flucht aus den Ländern Slowenien, Bangladesch, Afghanistan, Angola, Liberia, Sri Lanka, Haiti, Pakistan, Libanon, Türkei, Irak, Syrien, Benin, Bosnien und bei den Bootsflüchtlingen im Mittelmeer. In all diesen Ländern war er über drei Jahrzehnte im Rahmen internationaler Hilfsorganisationen als Arzt tätig. Hierüber schreibt er:

 

"Ich habe das Leid, die Hoffnungslosigkeit und das stille Sterben vieler Menschen auf allen Kontinenten, aber insbesondere im Mittelmeer, erfahren müssen. Menschen die sich nichts anderes wünschen als ein Leben in Frieden. Wir tragen alle eine Mitverantwortung für das Leben und das Sterben unserer Mitmenschen, egal wo auf dieser Erde."

 

Er schildert erschütternde Erlebnisse von seinen Reisen in die Krisengebiete dieser Welt und davon, was sich vor unserer Haustür, an den Rändern Europas, für tausende geflüchteter Menschen abspielt.

 

Er war z.B. 2004 nach dem Tsunami in Sri Lanka und 2010 half er bei der Versorgung der Erdbebenopfer auf Haiti. Neben der Unterstützung von notleidenden Menschen nach Umweltkatastrophen, reiste er zu Flüchtlingslagern rund um die Welt, immer mit dem Anliegen den armen Menschen dort so gut es geht zu helfen.

 

Neben Berichten über seine medizinischen Dienste erzählt er von den persönlichen Schicksalen einiger Menschen, denen er begegnet ist. Diese Schilderungen werden von Infoblöcken unterbrochen, welche hilfreiche Hintergrundinformationen über die aktuelle Situation im betreffenden Land beinhalten. Dabei geht es beispielsweise nicht nur um die politische Situation, sondern auch um Probleme wie Genitalverstümmelung, Kinderhandel, Kindersoldaten oder Prostitution.

 

Trotz seines großen persönlichen Einsatzes klingt Demut aus seinen Worten. Er kommt nicht als weißer Retter zu den Armen. Er betont immer wieder, dass alle Menschen gleich wertvoll sind, darum ist es ihm sehr wichtig, die Würde jedes Patienten zu wahren. Er schildert auch ehrlich seine Gefühle und berichtet von seinem Versagen als Helfer und Arzt. Diese Demut und Offenheit machen ihn beim Lesen dieses Buches sehr sympathisch. - Auch wenn nicht ausdrücklich auf den christlichen Glauben hingewiesen wird, ist dieses Buch durchdrungen von den biblischen Prinzipien der Gerechtigkeit und tätigen Nächstenliebe.

 

Insgesamt ist das Buch ein packender Bericht über medizinische Hilfseinsätze in den verschiedensten Ländern der Erde, der aufrüttelt und auf die große Not von Flüchtenden aufmerksam macht.

 

Klaus-Rainer Martin

Joe Miller

Özlem Türeci

Ugur Sahin

 

Projekt Lightspeed

Der Weg zum BioNTech-Impfstoff –

und zu einer Medizin von morgen

 

Buch 22,00 €, eBook 19,99 €

September 2021 (Spiegel-Bestseller)

Rowohlt Hamburg, ISBN 9783498002770

 

Das türkische Arztehepaar und Mitgründer von BioNTech Özlem Türeci und Ugur Sahin aus Mainz haben den weltweit ersten zugelassenen Covid-19-Impfstoff entwickelt und damit Medizingeschichte geschrieben. Der Wissenschafts-Journalist Joe Miller hat die beiden seit März 2020 begleitet und erzählt ihre Geschichte von den ersten Stunden des Kampfes gegen Covid-19 bis zur Zulassung des Impfstoffs. Miller beschreibt, wie Sahin und Türeci mit einem kleinen internationalen Team von Spezialisten in kürzester Zeit 20 Impfstoff-Kandidaten entwickelt und den wirksamsten davon ausgewählt haben, wie sie große Pharmaunternehmen überzeugten, ihre Arbeit zu unterstützen, wie sie Verhandlungen mit der EU und der US-Regierung führten und wie sie es mit BioNTech als kleinem Mainzer Unternehmen schafften, in kürzester Zeit mehr als zwei Milliarden Impfdosen zu produzieren. Miller hat auch mit über 50 Wissenschaftlern, Politikern und Mitarbeitern von BioNTech über ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und ihre Herausforderungen gesprochen.

 

Miller beschreibt, wie die beiden Wissenschaftler auf 30 Jahre Forschung an der neuartigen mRNA-Technologie aufbauen konnten, um einen Ausweg aus der Corona-Pandemie zu finden. Und er teilt die Vision der Mediziner, mit der mRNA-Technologie Therapien gegen viele andere Krankheiten wie Krebs, HIV oder Tuberkulose zu finden. Auch wenn der medizinische Laie nicht jede Einzelheit versteht, ist die Beschreibung durchaus fesselnd.

 

Dabei stellte sich mir die Frage: Kann dieses Buch die Impfquote im Land steigern? Kann es diejenigen überzeugen, die aus Trägheit, Gleichgültigkeit, Skepsis oder aus purer Opposition gegen Politik und Wissenschaft die Impfung ablehnen und damit die Gesellschaft gefährden? Wohl kaum. Um gegen Schlagworte wie „Impftod" und „Impfzwang" anzukämpfen, die derzeit in den Medien kursieren und aggressiv von den Querdenkern und Impfgegnern verbreitet werden, bewirkt solide Information nichts, - auch wenn sie noch so überzeugend ist.

 

Miller beschreibt auch, wie die beiden türkischstämmigen BioNTech-Mitgründer in guter akademisch-wissenschaftlicher Tradition schon während der Entwicklung immer wieder erkennen ließen, welche Zweifel sie selbst am Gelingen ihrer Mission hegten.

 

Nicht nur der Impfstoff sollte, ohne einen Prüfungsschritt auszulassen, in „Lichtgeschwindigkeit“ (Lightspeed) erzeugt, getestet, zugelassen und vermarktet werden, sondern auch das Buch ist unter Einhaltung aller Kontaktbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen vorwiegend durch Videogespräche und am PC in Lichtgeschwindigkeit entstanden. Es beschreibt nicht nur die Entwicklung eines Impfstoffs, sondern ist zugleich auch eine beeindruckende Geschichte zweier außergewöhnlicher Menschen.

 

Schließlich wird der Leserin, dem Leser klar, dass wir uns noch inmitten einer globalen Pandemie befinden und dass die Zukunft trotz der historischen mRNA-Erfolge immer noch offen ist.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

Hamed Abdel-Samad

 

Integration / ein Protokoll des Scheiterns

 

Droemer München, 2018

Preis; als Buch 19,99 €, als eBook 9,99 €

 

Der Autor Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 in Kairo als Sohn eines Imams, studierte Englisch, Französisch, Japanisch und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel-Samad ist Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz.

 

Hamed Abdel-Samad prangert die integrationsverhindernden Elemente der islamischen Kultur an und rechnet mit europäischen Integrationslügen ab. Er mahnt: Wer die Augen verschließt vor kulturellen und religiösen Unterschieden, der muss in seinem Bemühen scheitern. Millionen Muslime seien in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend als Gastarbeiter aus der Türkei oder als Flüchtlinge aus Syrien und anderen Staaten des Nahen Ostens nach Deutschland gekommen. Aber die Politik, hat Integration zu lange vereitelt und die Muslime haben sich in Parallelgesellschaften verbarrikadiert. So unterstützen Deutsch-Türken Erdogan und in Europa geborene Muslime verüben Terroranschläge. Deshalb formuliert er einen Forderungskatalog an Politik und Gesellschaft. Er mahnt: Wie es gelingt, Integration zu verwirklichen, wird die Zukunft Deutschlands aussehen.

 

Sein Buch wird gut ankommen in Kreisen, die der AfD oder gar Pegida zuneigen, bei Menschen, für die weder der Islam noch die Muslime zu Deutschland gehören. Aber es wäre zu billig, seine Argumente und seine Kritik in die rechte Ecke einzusortieren. Er stellt notwendige Fragen zur Integration und mahnt ein fehlendes Konzept a.. Auf den ersten etwa 230 Seiten breitet er seine Diagnose aus und entwickelt daraus seinen Forderungskatalog.

 

 

Einige Rezensenten werfen dem Autor vor, mit seinem Buch den Islamkritikern in die Hände zu spielen. Das düstere Bild von Deutschland, das Hamed Abdel-Samad zeichnet, der als Sohn eines Imams eine eigene Integrationsgeschichte zu erzählen hat, finden sie undifferenziert und provokant. Es wäre aber zu billig, den Autor deshalb einfach in die rechte Ecke zu stellen, auch wenn einzelne Passagen des Buchs vor allem als Stichwortgeber für die AfD gelten. Es lohnt sich dennoch, über die Kritik des Autors nachzudenken.

Klaus-Rainer Martin 

Alexander Jorde

 

KRANKE PFLEGE

Gemeinsam aus dem Notstand

 

Tropen Verlag - Sachbuch ISBN 978-3-608-50384-5

März 2019 (3. Auflage)

Preis: als Buch 17,00 €, als eBook 13,99 €

 

Dieses Taschenbuch über ein aktuelles Thema, das uns sicher alle beschäftigt, möchte ich allen Lesern vom Info – Blatt empfehlen. In diesem Sachbuch schreibt ein junger Mann in seinem letzten Ausbildungsjahr zum Gesundheits- und Krankenpfleger über die Misere in der Pflege in unserem Land. Die meisten von uns, aber vor allem die Betroffenen selbst und die Fachleute, kennen die Probleme in diesem Bereich seit Jahren.

Alexander Jorde erlebt täglich diese Situation und kann die Probleme im Detail ausführlich benennen. Er beschreibt den politischen Hintergrund und fragt nach den Schuldigen, die diesen Notstand nicht verhindert haben. Doch er beklagt sich nicht nur, denn er ist trotz allem begeistert von diesem Beruf. Er sucht nach Wegen, die zu einer Veränderung und Verbesserung führen können. Im „Blick über den Tellerrand“ führt er Beispiele an, die vor allem in Nachbarländern schon Wirklichkeit geworden sind.

Es geht Jorde nicht nur um mehr Anerkennung für den Pflegeberuf und um eine bessere Bezahlung. Er beklagt die ständige Überforderung der Mitarbeiter-/innen, die zu viele Pflegebedürftige betreuen müssen. Der Druck wird auf Dauer so groß, dass viele, im Schnitt nach 7 – 8 Jahren, aufgeben und den Beruf wechseln. Jordan kann das Argument, eine Verbesserung sei zu teuer und nicht finanzierbar, nicht akzeptieren. Er verweist auch hier auf Beispiele in anderen Ländern. „Tod, Krankheit, Pflegebedürftigkeit sind Tabuthemen in unserer Gesellschaft.“ So führt Alexander Jorde in sein Buch ein. „--- und doch kann es jeden von uns in kürzester Zeit betreffen.“ Es hilft uns, sich mit diesem Thema auseinander zu setzten.

 

Uwe Held

 

Stefano Liberti

 (aus dem Italienischen übersetzt von Alex Knaak)

  

Landraub

Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus

(Originaltitel: Land Grabbing)

 

erschienen in Italien 2011, 2. Auflage 2012

in Deutschland durch „Rettet den Regenwald e.V.“, Hamburg, 2012

 

Kosten: als Buch 12,99 €, als eBook 16,95

 

Stefano Liberti zählt zu den bekanntesten Journalisten Italiens. Von ihm stammen aufsehende Reportagen über viele Skandale unserer Zeit, so 2009 zum Beispiel seine Reportage über die Flüchtlingssituation in Lampedusa. in dem vorliegenden Buch berichtet er über den größten Landraub der Geschichte durch Regierungen, Konzerne und Spekulanten, welche weltweit Ackerland in ihren Besitz bringen, sowohl in Afrika, als auch in Asien und Südamerika. Dort ist das Land billig und es locken fantastische Gewinne. Dabei ist das Land sowohl Spekulationsobjekt wie auch Produktionsort für Export-Gemüse oder Bio-Sprit. Die Folgen sind bestürzend. Derweil die dort lebenden Menschen entsetzliche Hungersnöte erleiden und nichts zur Linderung der eigenen Not beitragen können, wird das Land für den Export ausgebeutet. Dieses zynische Geschäft wird sogar oft von den korrupten Regierungen der betreffenden Länder unterstützt.

 

Stefano Liberti hat sich auf Reisen in diese Länder (z.B. Äthiopien, Tansania, Brasilien) begeben. Er fügt aus seinen Reiseberichten, verdeckten Reportagen und Insiderberichten aus entwaffnenden Interviews und schockierenden Dokumenten ein Bild zusammen, welches in erschütternder Weise zeigt, wie die globale Verwüstung unserer Erde, die Profitgier von Konzernen und die Vernichtung bäuerlichen Lebensraums um sich greifen.

 

Er fordert ein Ende dieser Entwicklung und entwirft ein Bild davon, wie in den betreffenden Ländern durch die Eindämmung des Landraubes die Hungersnöte eingedämmt werden könnten.

 

Klaus-Rainer Martin

 

 

Hans-Jürgen Papier

 

 Die Warnung

Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird

Deutschlands höchster Richter a.D. klagt an

 

2019, Heyne-Verlag München, Spiegel-Bestseller

als Buch 22,00 €, als eBook 17,99 €

ISBN: 978-3-641-24673-0

 

Hans-Jürgen Papier, geboren 1943 in Berlin, Jurist und Staatsrechtler, war von 2002 bis 2010 als Nachfolger von Jutta Limbach und Vorgänger von Andreas Voßkuhle Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Als Konservativer und CSU-Mitglied warnt er als Pensionär davor, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird und verlässt damit seine richterliche Zurückhaltung der aktiven beruflichen Zeit.

 

In seine Zeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes fiel die heftige Diskussion um das 2009 vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, welches vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt wurde. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durfte in Deutschland nicht mehr ohne Anlass auf Vorrat gespeichert werden, da hierfür eine grundgesetzlich konforme Gesetzesgrundlage fehle. – Erst 2015 wurde ein neues Gesetz beschlossen, welches in bestimmten Fällen die Vorratsdatenspeicherung erlaubt.

  

Hans-Jürgen Papier fragt in seinem Buch: Gilt heute noch der Grundsatz: Vor dem Gesetz sind alle gleich? Und was geschieht, wenn geltendes Recht nicht mehr für jeden gilt? Wenn gefällte Urteile nicht vollzogen werden? Wenn sich die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin nicht an europäischem bzw. deutschem Recht orientiert, sondern an humanistischen Idealen? Wenn Kirchen Flüchtlingen außerhalb des Rechts Kirchenasyl gewähren? Wenn der Staat auf neue Entwicklungen in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung nicht angemessen reagiert? Wenn die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zunehmend zu Lasten der Freiheit verloren geht? Wenn zwar der Sozialstaat weiter ausgebaut wird, die Kernaufgaben des Rechtsstaates aber vernachlässigt werden?

 

Hans-Jürgen Papier warnt eindringlich vor einer Erosion des Rechtsstaates, und damit vor einer Schwächung der Judikative als einer der drei Gewalten (Legislative = Gesetzgebung durch das Parlament, Exekutive = ausführende Gewalt durch die Regierung, Judikative = Rechtsprechung durch die Gerichte). Wobei gerade eine ausgewogene Gewaltenteilung unseren Rechtsstaat ausmacht. Damit erntet er viel Beifall, auch von der falschen Seite. Doch er vertritt seine Ansichten nicht als Rechter, sondern als ein konservativer Demokrat und Verfassungspatriot, welcher die Freiheitsrechte der Bürger und des Staates vor einem Verfall bewahren möchte.

 

Auch wenn man nicht alle seine Positionen vertreten kann, vor allem, wenn man als Christ in der Flüchtlingsfrage Nächstenliebe und Humanität vor gefühlloses Recht und Gesetz stellt, sind seine Mahnungen lesenswert.

 Klaus-Rainer Martin

 


 

 Fritz Bauer

  

Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns

  

CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg

ISBN 978-3-86393-085-1

Erstausgabe 1965, Neuausgabe 2016

Preis: als Buch 15,00 €; als eBook: 9,99 €

 

Fritz Bauer war als hessischer Staatsanwalt Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse 1963 – 1965. „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“ ist der Titel eines Vortrages, den Fritz Bauer 1960 vor Vertretern von Jugendverbänden hielt. Der Landesjugendring Rheinland-Pfalz wollte diesen Text gymnasialen Oberstufen und Berufsschulen als Broschüre zur Verfügung stellen, was jedoch vom damals CDU-geführten Kultusministerium abgelehnt wurde. Aufgrund einer diesbezüglichen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion wurde im Landtag von Rheinland-Pfalz und in Presse und Öffentlichkeit heftig diskutiert.

 

Inhalt des vorliegenden Buches ist der Vortrag von Fritz Bauer und Auszüge aus der damaligen Debatte im Landtag. – Vor dem Hintergrund des wiedererstarkten rechten Gedankenguts in Deutschland ist das Thema und die Landtagsdiskussion von höchster Aktualität.

 

Fritz Bauer belegt in seinem Vortrag, dass die Wurzeln rechten Gedankenguts zurückreichen bis ins römische Reich. Während in Skandinavien und in England – und damit später auch in Amerika – nach germanischem Recht die Verantwortlichkeit des einzelnen Menschen stets Vorrang hatte und Befehlsverweigerung hohe Akzeptanz genoss, wenn die Ausführung des Befehls menschliches Unrecht bedeutet hätte, galt nach römischem Recht immer „Befehl ist Befehl“. Damit oblag die Verantwortlichkeit dem Befehlsgeber und es wurden Befehlsempfänger selbst für unmenschliches Verhalten nicht zur Verantwortung gezogen. Selbst Luther habe mit der Übersetzung von Römer 13, Vers 1 „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet“ diesem Denken Vorschub geleistet. Das habe mit dazu beigetragen, dass die Mehrheit der Deutschen in allen Zeiten gehorsame Staatsdiener waren. So ist es erklärlich, dass eine Mehrheit der Deutschen im Nationalsozialismus die grausamsten und unmenschlichsten Verbrechen begehen konnten und sich dabei schuldlos fühlten, weil sie immer die Verantwortung „nach oben“ abschieben konnten. Geradezu tragisch sei dabei, dass ausgerechnet die Nationalsozialisten, die immer auf das Germanentum hingewiesen haben, so vom römischen Recht ausgingen.

 

Auch die Landtagsdebatte zeigt, dass noch in der Bundesrepublik diese Haltung nachwirkt. So ist auch heute, nach über sechzig Jahren, Fritz Bauers Vortrag von 1960 noch lesenswert.

 Klaus-Rainer Martin

 

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Dirk Müller

 

 Machtbeben

Die Welt vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten

-Hintergründe, Risiken, Chancen  

Wilhelm-Heyne-Verlag München 

Taschenbuchausgabe September 2019, 349 Seiten 

Preis: als Buch: 11,99 €; als eBook: 9,99 € 

 

Wir mischen uns ein

 

So wie dieses hat mich in der letzten Zeit selten ein Buch so lange beschäftigt. Meine Gefühlsreaktionen darauf waren durchaus unterschiedlich: Einerseits war ich beeindruckt davon, dass der Autor viele Vorgänge und Zustände in der Welt, von denen ich immer nur vage Vorstellungen hatte, sehr genau und verständlich beschreibt. Das gilt u.a. für die Auseinandersetzungen im Nahen Osten und die Verhältnisse in China, die wirtschaftliche Entwicklung im Handel mit Öl u.a. Seine Themen sind aber auch die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt und vor allem ein zu erwartender neuer „Börsencrash". Positiv finde ich auch, dass er betont, dass er sich immer bemüht, Fakten möglichst real und beweisbar zu erfahren. Das tut er auch für den Leser mit einer großen Zahl von Verweisen auf die Quellen, die er benutzt hat. Gar nicht angetan war ich davon, dass er für den Umgang mit dem eigenen Geld empfiehlt, mit Aktien zu handeln. Erst später habe ich recherchiert, dass er selbst Börsenmakler ist. Er hat eine Internetplattform, wo er genaue Ratschläge gibt, was man wann kaufen und wann verkaufen soll. Diese „kapitalistische Welt“ liegt mir nun gar nicht. Aber beim Nachdenken fiel mir ein, dass ich bisher noch gar nicht überlegt habe, was es bedeutet, dass ich für das Geld auf meinem Sparbuch überhaupt keine Zinsen mehr bekomme. Wie ich uns dafür sichern könnte, wenn es wieder wie 2008 zu einem Crash in der Finanzwelt kommt und das bisschen Geld, was wir haben, womöglich auch noch seinen Wert verliert. Mit dem Nachdenken darüber bin ich noch nicht fertig Positiv gestimmt hat mich dann wieder, dass Dirk Müller sehr begründet für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädiert, wie es ja auch Wolfgang Kessler tut, den wir DAGSE ja gern zu einem Vortrag zu uns einladen würden. Gerade gibt es ja auch in Hamburg eine Bürgerinitiative dafür. Überhaupt hat mich dann wieder der Schluss beeindruckt, in dem der Autor dazu aufruft, dass wir alle uns mit anderen Menschen zusammen tun, unsere Meinungen offen austauschen und öffentlich vertreten und uns also „einmischen“ in die Vorgänge in dieser Welt. So sehe ich ja auch den Sinn in unserer kleinen Arbeitsgruppe DAGS Das Buch über dass ich hier schreibe heißt: „Machtbeben – Die Welt vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten -Hintergründe, Risiken, Chancen“ , Wilhelm-Heyne-Verlag München, Taschenbuchausgabe September 2019, 349 Seiten, 11,99 €- Internet-Seite: www.cashkurs.com

 Walter Hamann

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Harald Ihmig

  

Luthers Reformation.

 Eine Einführung in ihre Widersprüche

  

  ISBN: 978-3-7494-9593-1

 Verlag: Books on Demand

 Erscheinungsdatum: 27.09.2019

 Preis:14,90 €, (demnächst auch als eBook erhältlich).

  

Mein erster Gedanke: Nun noch ein Buch über Martin Luther, über den doch zum 500jährigen Reformationsjubiläum 2017 so viel geschrieben worden ist. Was kann denn nun noch Neues kommen? Auf dem Buchrücken ist zu lesen: Martin Luther hat es gewagt, „die Gewissen gewiss zu machen im Glauben“, und der Freiheit eines Christenmenschen in Beruf, Kirche, Staat und Wirtschaft Gestalt zu geben. Er hat das mittelalterliche System der Papstkirche, das sich die Angst der Menschen um ihr Seelenheil zunutze machte. aus den Angeln gehoben. Er hat sich jedoch auch in folgenreiche Widersprüche mit autoritären Ordnungsstrukturen verstrickt. … Luther wird nicht glorifiziert und nicht abgeurteilt, seine Reformation wird in ihrer Widersprüchlichkeit transparent gemacht. Auch seine Gewaltexzesse gegen Abweichende, Bauern, Täufer und Juden, werden bis in ihre religiösen Hintergründe hinein verfolgt.“

  

Schon auf den ersten Seiten entdeckte ich Neues. Für mich waren diese beiden Dinge neu: Zum einen wird jedes Kapitel mit „Quellentexten“ eingeleitet, mit Texten von Martin Luther selbst, oder von einem Zeitgenossen. So erfährt man viel Authentisches über Luthers Kindheit, Schulzeit und sein Leben im Kloster, sein Verhältnis zu seinem Vater und seine Furcht vor einem strafenden Gott. Zum Zweiten wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Luthers Erziehung durch einen sehr strengen und hartherzigen Vater auf Luthers Gottesverständnis und auf seine Theologie hatte. Die Vorstellung Luthers von einem noch strengeren, zornigeren und strafenderen Gott, als es sein Vater war, und die Angst, diesem mit noch weniger als dem Vater durch Beichten, Busen, Gebeten, Kasteiungen und guten Werken genügen zu können, prägte vor allem seine Jahre als Mönch. Deutlich wird, wie Luther bei seiner Entscheidung, ins Kloster zu gehen, zwischen seinem bei einem Gewitter in Todesangst abgegebenen Gelübde und dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren, gerungen hat, zumal sein Vater den Schritt, ins Kloster zu gehen, vehement ablehnte. – Wäre Luther in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, wären diese Fragen für Luther nicht zu einem solchen Problem geworden. Seine Erkenntnis daraus: „Wenn er (Gott) die Sünder hasste, hätte er gewiss nicht seinen Sohn gesandt“, lesen wir dazu im Quellentext. Doch welchen Einfluss Luthers Reise 1511 als Mönch in 33 Tagen zu Fuß nach Rom darauf hatte, dass Luther die Kirche nicht nur ein wenig verändern wollte, sondern eine neue, die protestantische Kirche gründete, bleibt unbeantwortet. Luthers Reise nach Rom, sein abgelehntes Ersuchen nach einem Gespräch mit dem Papst oder einem päpstlichen Vertreter und seine darin begründete Papstkritik bleiben in Ihmigs Buch unerwähnt.

  

Genaueres erfährt man hingegen darüber, auf welch verschlungenen Wegen es schließlich am 31. Oktober 1517 zum Anschlag der Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg kam.

  

Interessant sind auch die von dem eremitierten Theologieprofessor der Evangelischen Hochschule des Rauhen Hauses Hamburg Harald Ihmig dargelegten Widersprüchlichkeiten, welche er in Luthers Theologie sieht, und welche sich z.T. noch heute erkennen lassen. So beschränkt sich Luthers Verständnis von Nächstenliebe auf das Almosengeben an Bedürftige, während wir heute diesen Begriff umfassender sehen.

 

Und Luthers Verständnis von christlicher Freiheit ist geprägt von der dialektischen These und Antithese „ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan, und ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“. Heute geht man davon aus, dass der Freiheitsbegriff ganzheitlich zu verstehen ist und sich auf das Menschsein allgemein bezieht.

 

Deutlich wird auch die Unterscheidung zwischen Gesetz (nicht nur im Alten Testament) und Evangelium (nicht nur im Neuen Testament), und wie Jesus zwischen beiden Brücken schlägt.

 

Luthers Konsequenz war die Bibelübersetzung. Nun konnte jedermann selbst Gottes Wort lesen und erkennen, was Gottes Wort ist, und was dem, was die Kirche verlangt, widerspricht. Um das zu realisieren, setzte sich Luther für eine allgemeine Schulbildung ein. Er hat damit für die Gesellschaft insgesamt Bedeutung erlangt. Das findet in Harald Ihmigs Buch große Beachtung.

  

Sehr deutlich werden in Harald Ihmigs Buch auch Luthers Abhängigkeiten von den Herrschenden seiner Zeit und seine großen Irrtümer benannt. So z.B. gesteht Luther der staatlichen Gewalt zu, mit dem Schwert dreinzuschlagen, notfalls auch gegen die römische Kirche, wenn es darum geht, das Wort Gottes zu verteidigen. Und er vertritt die Meinung, dass Frauen und Kinder in der Kirche nur untergeordnete Rollen einnehmen dürfen. Zudem fordert er zur Niederschlagung der Wiedertäufer-Bewegung, der Bauernaufstände und des jüdischen Glaubens auf. Luthers Bezug auf eine „theologische Obrigkeitslehre“ ist aus heutiger Sicht abzulehnen.

  

Harald Ihmig macht deutlich, dass darin heute für uns nicht nur eine Grenze liegt und wir uns in diesen Fragen von Luthers Auffassung distanzieren sollen, sondern dass wir heute eine andere Haltung praktizieren sollen. Er veranschaulicht, dass sich sowohl in Luthers Haltung zu den Bauern im Bauernkrieg, zu den Türken und zum Koran sowie zu den Juden und ihrem Glauben im Laufe seines Lebens seine Haltung vom Befürworter zum erbitterten Gegner gewandelt hat. Wenn er hier zu Gewalt aufruft, lässt das sein Verständnis gegenüber Andersdenkenden vermissen, wenn er Gefahren für die von ihm gegründete protestantische Kirche sieht. Damit verlässt er den Weg der Auseinandersetzung mit Argumenten. Das zu benennen, Kritik zu äußern und nicht zu verschweigen, kennzeichnet Harald Ihmigs Buch.

  

Als jemand, der viel über Luther gelesen hat und 2017 selbst das eBook „Luther, die Reformation und die Reichstage – Würdigung und kritische Betrachtungen“ geschrieben hat, habe ich in Harald Ihmigs Buch Vieles aus einem für mich neuen Blickwinkel und viel Vertiefendes erfahren.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

Wolfgang Kessler

  

Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern

 - eine Streitschrift -

 

 Publik-Forum Edition

Erscheinungstermin: Mai 2019

Preis: als Buch: 15,00 €; als eBook: 12,99 €

 

Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern, ist der Titel eines neuen Buchs von Wolfgang Kessler. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift „Publik Forum“ hat fünf Vorschläge, diese Kunst zu verwirklichen. „Über Wirtschaft wird ständig geredet, doch eine offene Diskussion über den Kapitalismus ist noch immer verpönt. Das erlebte jüngst der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. Kaum hatte Kühnert über eine Wirtschaft nachgedacht, in der Demokratie und gesellschaftliche Verantwortung nicht vor den Werkstoren haltmachen, in der auch Enteignung kein Tabu ist – da fielen sie über ihn her.“ „Es braucht den Mut, eine Wirtschaftsweise umzusetzen, die Mensch und Natur in den Mittelpunkt stellt“.

Ich schlage vor, dass wir uns ausführlich mit den von Kessler vorgeschlagenen Schritten beschäftigen und einmal sehen, wie weit sie auch bei Kirche und Diakonie zu gehen wären.                           

Walter Hamann

 

 

Hajo Schumacher                           

  

Restlaufzeit

Wie ein gutes, lustiges und bezahlbares Leben im Alter gelingen kann

 

Bastei Lübbe Taschenbuch, Köln

September 2014

ISBN 978-3-8479-0572-1

Preis als Buch: 16,95 €, als eBook: 8,99 €

 

Unter den Babyboomern grassiert die Panik vor dem Altern,vor Rentenlücke, Einsamkeit und Wundliegen. Gegen Angst vor Pflege und Demenz gibt es nur ein Mittel: Heute anfangen, das Alter zu planen. Unterhaltsam, aber ehrlich und informativ erzählt Hajo Schumacher, welche Ruhestandsmodelle bezahlbar sind, die Menschenwürde bewahren und Spaß machen. Hier findet jede und jeder etwas zum Nachdenken darüber, was im Alter auf ihn zukommen kann, und was er/sie sich keinesfalls für die eigene Lebensgestaltung im Alter vorstellen kann, aber auch, welche Optionen denk- und machbar sind.

 

Der Autor des Buches Hajo Schumacher, geboren 1964, studierte Journalistik, Politologie und Psychologie. Von 1990 bis 2000 arbeitete er beim Spiegel, von 2000 bis 2002 war er Chefredakteur von Max. Er ist Journalist, TV-Moderator und Autor zahlreicher Bücher. Unter seinem Pseudonym Achim Achilles eroberte er mit Achilles Verse und dem Laufberater die Bestsellerlisten. Hajo Schumacher lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin und möchte mit 70 beim Ironman auf Hawaii starten.

Klaus-Rainer Martin

 

 

David Safier

  

Muh!

Schwarzbunt ins Glück

  

Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek

November 2012, 4. Auflage

ISBN: 978-3-4634-0603-9

Preis als Buch 16,95 €; als eBook: 9,99 €

 

Kuh Lolle aus Ostfriesland hat gerade eine ziemlich schlechte Phase: Nicht nur, dass ihr heißgeliebter Stier Champion sie mit der dusseligen Kuh Susi betrügt. Nein, Lolle erfährt auch vom Plan des Bauern, den Hof zu verkaufen und alle Kühe zwischen zwei Brötchenhälften enden zu lassen. Aber es gibt Hoffnung. Ein weitgereister italienischer Kater verrät ihr, dass es ein Paradies für Kühe gibt: Indien! Und so beschließt Lolle, sich mit ihren beiden besten Freundinnen, der harten Hilde und dem lieben Radieschen, vom Acker zu machen und die gefährliche Reise in das Land zu wagen, wo Kühe den Menschen heilig sind. Auf sehr amüsante Weise beschreibt der Autor, was die Kühe auf ihrem langen Weg nach Indien alles erleben.

  

David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane erreichten Millionenauflagen. Auch im Ausland sind seine Bücher Bestseller. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy (dem amerikanischen Fernseh-Oscar) ausgezeichnet. David Safier lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.

  

Wer dieses Buch gelesen hat, bekommt Probleme damit, seinen Rinderbraten noch genussvoll zu verschlingen. Bei jedem Biss muss er an Lolle, der Kuh aus Ostfriesland und die Hauptfigur des Buches, denken.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Hamed Abdel-Samad

  

Integration

Ein Protokoll des Scheiterns

  

·         Verlag: Droemer/Knaur, München

 Erscheinungstermin:  April 2018

 ISBN: 978-3-4262-7739-3

 Preis als Buch 19,99 €; als eBook 14,99 €

  

Millionen Muslime sind in den vergangenen Jahrzehnten als Gastarbeiter überwiegend aus der Türkei, als Flüchtlinge aus Syrien und anderen Staaten des Nahen Ostens nach Deutschland gekommen. Hamed Abdel-Samad rechnet einerseits mit der Politik, die die Integration zu lange konterkariert hat, und andererseits aber auch mit den Muslimen ab, die sich in Parallelgesellschaften verbarrikadiert haben.

 

Deutsch-Türken unterstützen Erdogan, in Europa geborene Muslime verüben Terroranschläge. Hamed Abdel-Samad prangert die integrationsverhindernden Elemente der islamischen Kultur an. Er rechnet aber auch mit europäischen Integrationslügen ab. Denn wer jahrzehntelang von "Gastarbeitern" spricht, der verweigert Integrationsangebote - und darf sich nicht über Parallelgesellschaften wundern. Wer die Augen verschließt vor kulturellen, historischen und religiösen Unterschieden, der muss in seinem Bemühen scheitern. Abdel-Samad formuliert einen Forderungskatalog an Politik und Gesellschaft, denn am Thema Integration wird sich die Zukunft Deutschlands entscheiden.

 

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 bei Kairo, studierte Englisch, Französisch, Japanisch und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel-Samad ist Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und zählt zu den profiliertesten islamischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Seine Autobiographie "Mein Abschied vom Himmel" sorgte für Aufsehen. Mit seinem neuen Buch macht er deutlich, dass Integration nur gelingen kann, wenn beide Seiten bereit sind, aufeinander zuzugehen.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

 

 

Naomi Klein

  

No Logo!

Der Kampf der Global Players um Marktmacht - Ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern

  

Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main

April 2015

ISBN: 978-3-5960-3127-6

Preis als Buch: 12,99 €; als eBook 11,99 €

  

Die Autorin Naomi Klein offenbart die Machenschaften multinationaler Konzerne hinter der Fassade bunter Logos. Denn oft stehen hinter großen Namen, wie beispielsweise Nice oder Adidas nur noch Logos und keine eigenverantwortlich geführten Produktionsstätten und damit Verpflichtungen für produzierende Menschen. Stattdessen Lasen sie nur noch unter ihrem Logo in der ganzen Welt, vor allem dort, wo es am billigsten ist, produzieren, ohne die Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen, und verkaufen die Produkte unter ihrem Logo.

  

Der von Naomi Klein propagierte Ausweg aus jedem Markendiktat ist eine Auflehnung gegen die Täuschung der Verbraucher, gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Zerstörung der Natur und kulturellen Kahlschlag. Denn durch ihre De-Mystifizierung verlieren die großen, global agierenden Marken an Glanz und Macht - zum Wohle aller.

  

Naomi Kleins Buch „No Logo!“ist ein Manifest gegen einen zügellosen Kapitalismus und die scheinbare Allmacht globaler Marken. Es wurde innerhalb kürzester Zeit in 28 Sprachen übersetzt und von der New York Times die „Bibel einer Bewegung“ genannt. Sie schreibt und berichtet regelmäßig für große Sender und Zeitungen. Naomi Klein lebt in Kanada.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Walter Ötsch / Nina Horaczek

  

Populismus für Anfänger

Anleitung zur Volksverführung

Die simple Welt der Populisten

 

Verlag Westend, Frankfurt

Erscheinungstermin: August 2017

ISBN 978-3-8648-9196-0

Preis als Buch: 18,00 €; als eBook: 13,99 €

 

Die Populisten scheinen in Europa, in Frankreich, Holland, Deutschland, Österreich und überall auf dem Vormarsch zu sein. Und in allen Staaten agieren die Menschen, als gäbe es keine Strategien gegen die rechten Volksverführer. Dabei besitzen Rechtspopulisten einen einfachen Kern, nämlich das selbstgestrickte Bild einer gespaltenen Gesellschaft: Hier sind „WIR“, und dort sind die „ANDEREN“. Dieses Bild erklärt die Sprache, die Taktiken und die innere Organisation der Rechtspopulisten auf eine ungemein klare Art. Die beiden österreichischen Experten für Rechtspopulismus, der Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte Walter Ötsch und die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Nina Horaczek zeigen in dieser „Anleitung zur Volksverführung“ fiktiv, wie man erfolgreicher Populist wird. So entlarven sie auf ungewöhnliche Weise, aber klug und unterhaltsam die Tricks und Täuschungsmanöver der Demagogen und entschlüsseln ihre Codes. Der Leser / die Leserin erfährt nicht nur, welche Haltung er / sie gegen Rechtspopulisten einnehmen soll, sondern auch, was gegen die „Endzeitpropheten zu tun ist.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

Frank Sieren

 

Angst vor China

Wie die neue Weltmacht unsere Krise nutzt

 

Econ, Berlin

Erscheinungstermin: März 2013

ISBN 978-3-8437-0089-4

Preis: als Buch: 9,99 €; als eBook: 8,99 €

 

Der Autor (Jahrgang 1967) ist Asienkolumnist und lebt seit über 15 Jahren in China. Er ist Autor von „Der China Code“ (2004) und „Der China Schock“ (2008). In seinem neuen Buch beschreibt er den Zickzack-Kurs des Westens in der Schuldenkrise, welche den Aufstieg des Reiches der Mitte beschleunigt. Unsere Abhängigkeit von China wächst von Jahr zu Jahr. Frank Sieren beleuchtet in seinem neuen Buch die erschreckenden Stärken Chinas und die versteckten Risiken seines Wirtschaftsbooms. Er entlarvt aber auch unsere unglaublichen Schwächen, mit denen wir unsere Zukunft leichtfertig aufs Spiel setzen. Und er erklärt letztendlich, wie wir die lähmende Angst vor China überwinden können, nämlich indem wir China nicht mehr als Entwicklungsland begreifen, welches nur billige Plagiate von in Europa entwickelten Produkten auf den Weltmarkt bringt, sondern inzwischen zunehmend in China selbst entwickelte Produkte. Damit ist China – nicht nur wirtschaftspolitisch – zu einer Weltmacht geworden neben der USA, Russland und der zögerlichen EU. Deshalb ist der Versuch Trumps, China durch Strafzölle in die Knie zu zwingen, zum Scheitern verurteilt. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Welt von heute nicht mehr von zwei Weltmächten beherrscht wird, sondern von drei bis vier. Und wir müssen verhindern, dass der Begriff Weltmacht“ nicht nur unter militärischen und wirtschaftlichen Aspekten definiert wird, sondern dass Menschenrechte und Freiheit wichtige Bestandteile bleiben bzw. werden. Diese Auseinandersetzung ist schwieriger, als die Auseinandersetzung mit Chinas „Staatskapitalismus“.

 Klaus-Rainer Martin           

 

 Harald Bender

 Norbert Bernholt

 Bernd Winkelmann

  

Kapitalismus und dann?

 Systemwandel und

 Perspektiven gesellschaftlicher Transformation

 

 Oekom-Verlag, München

 ISBN 978-3-8658-1304-6, 160 Seiten

 erschienen im April 2012,

 Preis: als Buch 19,95 €, als eBook 15,99 €

  

88 Prozent der Menschen in Deutschland trauen unserem derzeitigen Wirtschaftssystem, welches sich von einer „Sozialen Marktwirtschaft“ hin zu einer „Neoliberalen Marktwirtschaft“ entwickelt hat, nicht mehr zu, die Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen. Als Alternative stellen Harald Bender, Politikwissenschaftler, sowie Norbert Bernholt und Bernd Winkelmann, alle Gründungsmitglieder der Akademie für Solidarische Ökonomie in Lüneburg eine Wirtschaft vor, welche die Würde des Menschen, das Gemeinwohl und die Solidarität unter den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen.

 

Sie hinterfragen die neoliberale „Pferdeapfeltheorie“, welche fordert, dass die Pferde (die Reichen) so gut gefüttert werden müssen, dass die Spatzen (die Ärmeren) in den Pferdeäpfeln noch viele gute Körner finden. Und sie machen dem Leser bewusst, dass sich der Neoliberalismus in unsere Wohnzimmer und damit in unsere Gedankenwelt schleicht, wenn z.B. an jedem Abend in der Tagesschau die Aktienkurse bekannt gegeben werden, geradeso, als wären alle Fernsehzuschauer Aktionäre.

 

In ihrem Buch erörtern sie kritisch das Kapital, welches für die Reichen „arbeitet“, das Privateigentum, welches heute auch Grundlagen unseres Lebens, wie Strom, Wasser und Gesundheitsvorsorge umfasst und dennoch wenigen Besitzenden gehört, oder Arbeitsplätze, welche für die meisten Menschen zur Existenzsicherung zählen.

 

Mit ihrer Kritik fordern sie nicht eine Rückkehr zur Sozialen Marktwirtschaft, welche erst eine Entwicklung hin zu einem Ressourcen verschlingenden und Demokratie abbauenden Neoliberalismus ermöglicht. Sie fordern auch nicht ein sozialistisches Wirtschaftssystem und Verstaatlichung der Großindustrie. Sie stellen als neue Lebensform die „Soziale Ökonomie“ vor: „Solidarische Ökonomie bezeichnet Formen des Wirtschaftens, die menschliche Bedürfnisse auf der Basis freiwilliger Kooperation, Selbstorganisation und gegenseitiger Hilfen befriedigen. Das Prinzip der Solidarität steht dabei im Gegensatz zu Orientierung an Konkurrenz, zynischer Eigenverantwortung und Gewinnmaximierung in kapitalistischen Wirtschaften“. Sie fordern damit neben der politischen Demokratie auch eine wirtschaftliche Demokratie anstatt der Macht der Konzerne. Sie fordern, dass die materielle Wertschöpfung allen Menschen, und nicht nur einigen wenigen Besitzenden zugute kommt. Sie fordern, dass neben der materiellen Wertschöpfung auch die geistige, die emotionale und die zwischenmenschliche Wertschöpfung in der Gesellschaft sichtbar gemacht wird.

 

Im Unterschied zu Karl Marx, der das Heil im Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus sah, welcher nur durch eine Revolution zu erreichen ist, und im Unterschied zu manchem Politiker in der heutigen Zeit, welcher durch ein paar Reformen, wie z.B. das Mitbestimmungsgesetz, den Kapitalismus an die Leine nehmen möchte, plädieren sie für eine schrittweise Transformation (Umformung). Hierfür muss sowohl die Politik als auch die Wirtschaft grundlegende Veränderungen in die Wege leiten (z.B. grundlegende Veränderung des Steuersystems, grundlegende Veränderung des Bankenwesens, grundlegende Veränderung des Erwerbssystems). – Solche Veränderungen zeigen sich bereits mancherorts, z.B. Hofläden statt Supermärkte, Biowaren aus der Region statt Massenproduktion, Verringerung des Verpackungsmülls, Geldanlagen in umweltschonende und nachhaltige Projekte.

 

Insgesamt setzt das Buch jedoch ein volkswirtschaftliches Grundwissen voraus. Doch demjenigen, der sich mit Einzelaspekten dieses Themas befassen möchte, bietet das Buch sowohl in den einzelnen Kapiteln wie am Ende eine Fülle von Literaturhinweisen.

 

Für mich, der in der ehemaligen DDR gelernt hat, dass gemäß Karl Marx nach dem Kapitalismus, der sich in seiner höchsten Form zum Imperialismus entwickelt hat, geradezu zwangsläufig der Sozialismus folgt – und nichts anderes -, welcher sich in seiner vollendeten Form zum Kommunismus entwickelt, auch etwas anderes folgen kann, nämlich eine „Solidarische Ökonomie“, in welcher nicht vorrangig die Frage, wem die Produktionsmittel gehören, eine systemtragende Rolle spielt, sondern die Frage, wie künftig die Menschen weltweit leben, enthielt das Buch viele „Aha-Erlebnisse“.

 

Das ist ein neues Denken. DAGS wird sich eingehend damit befassen.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

Hasan Cobanli

  

Erdoganistan

 Der Absturz der Türkei

 und die Folgen für Deutschland

 Verlag: Beck, München

 ISBN: 978-3-4067-1344-6, 226 Seiten

 erschienen im Sommer 2017

Preis: als Buch 14,95, Als eBook 11,99

 

Der deutsch-türkische Journalist Hasan Cobanli wurde 1954 als Kind einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters einer in der Türkei sehr bekannten Familie in Istanbul geboren, verbrachte seine Kindheit in der Türkei und lebt heute in München. Er bezeichnet Erdogan als den neuen Sultan der Türkei, der sein Land in den Abgrund treibt und Deutschland in die türkische Innenpolitik hineinzieht. In seinem Buch, in welchem man auch viel über die Familie Cobanli und die türkische Geschichte erfährt, erklärt Hasan Cobanli den Absturz der Türkei und fragt nach den Folgen für Deutschland.

  

Er beschreibt die Türkei als ein Land, dessen Beitritt zur EU bis vor Kurzem möglich schien, ein verlässlicher NATO-Partner war, Ziel zahlloser Touristen war, als der "Tiger am Bosporus" galt und dessen Wirtschaftswachstum auf eine helle Zukunft hoffen ließ. Er stellt mit Betroffenheit fest, dass sich heute alles ins Gegenteil verkehrt hat. Er beschreibt die Türkei als ein Land auf dem Weg in die Diktatur, in dem alle, die sich dem Präsidenten entgegenstellen, um ihre Freiheit fürchten müssen. Hasan Cobanli hat zahlreiche Wendepunkte der jüngeren türkischen Geschichte selbst miterlebt und kennt viele Hintergründe. Zudem kennt er viele Personen der Zeitgeschichte, selbst Erdogan, persönlich. In diesem Buch analysiert er, wie es so weit kommen konnte, wieder ein konservativer Islam das moderne Denken, den „Kemalismus“ Atatürks, in der Türkei verdrängen konnte, verdeutlicht dem Leser die Handlungsmotive Erdogans und zeigt, was der neue Sultan in Deutschland nicht nur bei den Menschen mit türkischem Migrationshintergrund anrichtet.

 

Er nennt in seinem Buch die Türkei „Erdoganistan“.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 Franciscu Cantu

 Übersetzung: Fienbork, Matthias

  

No Man's Land

 Leben an der mexikanischen Grenze

 Verlag: Hanser, Berlin 

 ISBN: 978-3-4462-6026-9, 239 Seiten

 erschienen in den USA 2016,

 in Deutschland 2018

 Preis: als Buch 22,00 €, als eBook 16,99 €

  

Der Autor Francisco Cantú, geboren 1985, selbst mit mexikanischen Wurzeln und die Sprache der Mexikaner beherrschend, war von 2008 bis 2012 Mitglied der United States Border Patrol, der Grenzpolizei Amerikas. Er wurde vom Politikstudenten zum Grenzwächter an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Was er dort erlebte, bringt ihn fast um den Verstand. Er wollte am eigenen Leib erfahren, was an der Grenze wirklich geschieht. Als Mitglied der Grenzpolizei rettete er Verdurstende aus der Wüste, deportierte aber auch illegale Einwanderer oder erlebte, wie Familien auseinandergerissen wurden.

 

In seiner persönlichen Reportage zeigt er, was Grenzen für die Menschen wirklich bedeuten. „No Man's Land“ mutet wie eine Tragödie an und bildet doch die Realität nicht nur an der Grenze zwischen der USA und Mexiko, sondern überall auf der Welt wahrheitsgetreu ab, unverzerrt, grausam und zutiefst berührend.

 

Die persönliche Begegnung mit einer mexikanischen Flüchtlingsfamilie, welche illegal in den USA lebt, und deren Schicksal, nachdem die Illegalität aufgeflogen ist, lassen ihn an der Abschiebepolitik seines Landes zweifeln und lassen ihn zum Aktivisten für Menschlichkeit und zum Fürsprecher humanistischer Werte werden.

 

Das Buch ist damit auch ein Beitrag zum Nachdenken darüber, wie wir in Europa und in Deutschland mit Menschen auf der Flucht umgehen.

 

Der Autor ist für sein Buch, welches auch verfilmt wurde, mehrfach ausgezeichnet worden. Er lebt heute in Tucson, Arizona.

  

Ins Deutsche übersetzt wurde sein Buch von dem Musik- und Islamwissenschaftler Matthias Fienbork, geboren 1947, welcher durch die Übersetzung zahlreicher Autoren, auch von Barack Obama, bekannt geworden ist.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 Ingrid Brodnig

 

Lügen im Netz

 Wie Fake News, Populisten

 und unkontrollierte Technik uns manipulieren

 Verlag: Brandstätter, Wien,

 ISBN: 978-3-7106-0289-4, 232 Seiten

 erschienen im Sommer 2017,

 überarbeitete Neuauflage im Sommer 2018

 Preis: als Buch 19,90 €, als eBook 15,99 €

  

Immer wieder erleben wir, dass im Internet durch manipulierte Bilder, erfundene Geschichten, üble Gerüchte, unfaire Methoden Stimmung gemacht wird. Für Internetnutzer ist oft nicht erkennbar, was stimmt und was erlogen ist. Die 1984 in Graz / Österreich geborene Journalistin Ingrid Brodnig ist Online-Expertin. Sie erklärt der Leserin/ dem Leser, wie man in diesem Dschungel den Durchblick bewahrt. Mit analytischem Blick veranschaulicht sie die Tricks der Fälscher und erklärt, wieso die Manipulation im Netz derzeit so erfolgreich ist, weshalb zum Beispiel Wut und Hass die Menschen unkritisch, geradezu blind gegenüber Falschmeldungen machen und wie das von politischen Strömungen, Parteien, einzelnen Personen und Medienkonzernen ausgenutzt werden. Populisten nutzen dieses erhitzte politische Klima bewusst aus und errichten online eine „Parallelrealität“.

  

Ingrid Brodnig gibt mit ihrem Buch aber keinen Anlass zur Resignation, sondern sie macht Mut: So muss es nicht bleiben! Sie erklärt die Besonderheiten und Mechanismen der modernen Propaganda und widmet sich der Frage, wie man diese bekämpfen kann. Sie regt dazu an, gerade in digitalen Zeiten kühlen Kopf zu bewahren, an Fakten festzuhalten bewahren und unsere Demokratie vor unfairen Methoden zu verteidigen.

 

Damit greift das Buch ein aktuelles gesellschaftliches Problem auf und liefert einen Beitrag dazu, diesem Problem in angemessener Weise zu begegnen. Jedem Internetnutzer ist zu empfehlen, sich damit zu befassen.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

Franz Alt

 

Was Jesus wirklich gesagt hat

 Eine Auferweckung

 Gütersloher Verlagshaus

 ISBN 978-3-5790-8522-7, 352 Seiten

 erschienen im September 2015

 Preis: als Buch: 22,99 €, als eBook: 18,99 €

  

und

  Franz Alt

  

Die 100 wichtigsten Worte Jesu

 wie er sie wirklich gesagt hat

 Gütersloher Verlagshaus

 ISBN 978-3-5790-8533-3, 190 Seiten

 erschienen im September 2016

 Preis: als Buch: 14,99 €, als eBook: 11,99 €

  

Franz Alt, 1938 geboren und vielen als Moderator des Politmagazins „Report Mainz“ vom SWF aus den Jahren 1972 bis 1992 bekannt, setzt sich in seinen Büchern mit den Worten Jesu auseinander. Er, der u.a. auch katholische Theologie studiert hat, versuchte in mehreren Büchern den Menschen unserer Zeit Jesus nahe zu bringen und verständlich zu machen. So schrieb er Bücher über den pazifistischen Jesus der Bergpredigt, den emanzipierten Jesus und Frauenfreund, Jesus als Kämpfer für eine gerechtere Welt und den ökologischen Jesus als Bewahrer der Schöpfung. Diesen Büchern folgen nun zwei Bücher über den aramäisch sprechenden Jesus. Dabei kommt Franz Alt zu dem Schluss, dass die Worte Jesu, wie wir sie aus dem Neuen Testament aus dem Griechischen übersetzt kennen, in vielen Passagen falsch seien, da Jesus aramäisch und in Versform, nicht aber griechisch gesprochen habe. Und dass diese Übersetzungsfehler nicht etwa nur Irrtümer sind, sondern bewusste Fälschungen, um die Kirche so zu organisieren, wie sie sich in zwei Jahrtausenden bis heute darstellt. Dabei beruft sich Franz Alt auf den deutschen evangelischen Theologen Günther Schwarz (1928 – 2009), der das Neue Testament aus dem Griechischen und andere nicht in den Kanon der Bibel aufgenommene Schriften aus dem Syrischen ins Aramäische rückübersetzt und dann wieder ins Deutsche übersetzt hat.

  

An vielen Stellen dieser Rückübersetzung vermag ich keine fundamentalen Unterschiede oder gar bewusste Fälschungen erkennen. Günther Schwarz bezweifelt, dass die Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“ aus dem Vaterunser so von Jesus formuliert worden sei, mit der Begründung, dass Gott niemals so gemein sei, dass er Menschen in Versuchung führen würde. Doch nicht zuletzt aus der Versuchungsgeschichte Jesu wissen wir, dass Gott dem Satan zugelassen hat, Jesus in Versuchung zu führen. Unter diesem Aspekt hat die Bitte im Vaterunser für mich doch ihren Sinn.

  

Franz Alt stellt unter Berufung auf Günther Schwarz auch die Dreieinigkeit infrage. Da Jesus der Sohn Gottes und wir alle Gottes Kinder, Söhne oder Töchter Gottes sind, bezeichnet er Jesus nur als einen besonders talentierten, besonders begabten Menschen mit einer besonderen Beziehung zu Gott, und damit als den „Menschensohn“, den bedeutendsten Menschen, den die Menschheitsgeschichte je hervorgebracht hat.

  

Geradezu fragwürdig erscheint mir, dass Franz Alt bei seiner Kritik an der Kirche nicht differenziert zwischen katholischer und protestantischer Kirche, und schon gar nicht zwischen den in beiden Kirchen vorherrschenden unterschiedlichen Strömungen von konservativ, pietistisch, orthodox bis zu liberal und kritisch hinterfragend. Und er geht auch nicht auf Theologen wie Sören Kiergegaard, Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer oder andere ein. Lediglich der katholische Theologe Hans Küng wird einmal zitiert. – Reformatoren wie Martin Luther, Huldreych Zwingli, Jan Hus oder Johan Calvin und ihre Äußerungen sowie die Reformation finden in seinen Büchern keine Erwähnung. Auch Personen wie Friedrich von Bodelschwingh, Johann Hinrich Wichern oder Adolph Kolping, welche die Nachfolge Jesu immer auch als Dienst an hilfebedürftigen Menschen verstanden haben, werden nicht erwähnt. – Manche Kritik von Franz Alt an der Kirche liest sich so, als kritisiere er die mittelalterliche, vorreformatorische Kirche, welche einen zürnenden Gott verkündet, dem wir bedingungslos zu gehorchen haben, und nicht den liebenden Gott des Neuen Testaments, von dem wir Hilfe und Trost erwarten dürfen.

  

Mir ist Franz Alt in seinen Ausführungen zu sektiererisch. Dennoch ist es von Nutzen, sich einmal damit zu befassen, dass man Jesus und seine Worte auch anders verstehen und deuten kann, zumal er versucht darzustellen, was Jesus, der vor 2000 Jahren unter den Menschen lebte, für die Menschen im 21. Jahrhundert zu sagen hat und bedeutet. Geradezu erstaunt hat mich, dass die Aufforderung Jesu „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ bei Franz Alt nicht zu den einhundert wichtigsten Worten Jesu zählt. – Aber das Jesus-Wort „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, von Jesus gesprochen, als man eine zum Tode durch Steinigung verurteilte Ehebrecherin zu ihm brachte, und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter fanden auch bei Günther Schwarzens Rückübersetzung ins Aramäische, und damit auch bei Franz Alt unverändert Aufnahme.

 

Mich haben die beiden Bücher von Franz Alt sehr zum Nachdenken angeregt, aber keinesfalls zum Umdenken in meinem Jesusbild.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

Lars-Broder Keil

Sven Felix Kellerhoff

 

Fake News machen Geschichte

 Gerüchte und Falschmeldungen im 20. und 21. Jahrhundert

  

September 2017, als Buch 20,00 €, als eBook 9,99 €

  

Die beiden Verfasser des Buches sind als freie Journalisten und Buchautoren tätig. Dabei befassen sie sich mit aktuellen Problemen unserer Zeit ebenso wie mit der jüngeren deutschen und internationalen Geschichte. So auch diesem Buch.

  

Sie beschreiben, wie Gerüchte und Falschmeldungen die Menschheitsgeschichte von Beginn an begleiteten. Ihre politischen und militärischen Folgen waren dabei schon immer verheerend. Doch mit dem Aufstieg des Wortes „Fake News" ist klar, dass Gerüchte und Falschmeldungen im Zeitalter der sozialen Medien geschichtsträchtiger sind als je zuvor, bewusst verbreitet werden und einen unüberschaubar großen Verbreitungscharakter haben.

 

Die Autoren führen an elf Beispielen aus dem 20. und 21. Jahrhundert aus Deutschland und der Weltgeschichte vor, wie Fehlinformationen und Gerüchte im Spannungsfeld zwischen Politik, Medien und Öffentlichkeit ihren verhängnisvollen Lauf nahmen. Dabei haben sie Fälle gewählt, die für Deutschland von zentraler Bedeutung waren - von der NS-Zeit ("Alpenfestung") über den Kalten Krieg ("Amikäfer") bis in die allerjüngste Gegenwart.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Joschka Fischer

 

Der Abstieg des Westens

 Europa in der neuen Weltordnung des 21. Jahrhunderts

 

März 2018, als Buch 20,00 €, als eBook 16,99 €

  

Joschka Fischer, mit richtigem Namen Joseph Martin Fischer, geboren 1948, war Mitbegründer der Grünen und wurde als Außenminister in der rot-grünen Koalition 1998 bis 2005 weltbekannt. Anders als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ist er heute nicht in der Wirtschaft tätig, sondern schreibt zu aktuellen politischen Themen Beiträge in Zeitungen und Bücher. So auch sein neuestes Buch. Darin stellt er die Frage, was auf das „Jahrhundert des Westens"? folgt. Befinden wir uns in einer Zeitenwende? Das neue Buch ist eine schonungslose Analyse über das Ende der Dominanz des Westens und beschreibt den Beginn einer neuen Weltordnung. Er bezeichnet die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, den Brexit und den Aufstieg nationalistischer, autoritärer und fremdenfeindlicher Parteien und Politiker in Europa als die dramatischen Brüche in der internationalen Politik. Und er untersucht in diesem Buch die dahinterliegenden geopolitischen Verschiebungen und bezeichnet sie als das Ende des "Jahrhunderts des Westens". Er beschreibt den unaufhaltsamen Aufstieg Chinas zur neuen Weltmacht und die dramatischen Erschütterungen, in denen sich die neue Epoche der Weltgeschichte Bahn bricht. Dabei blickt Joschka Fischer auf die gefährlichen Prozesse der Selbstdemontage, die die westliche Welt durchlebt, und die Bedrohungen für den Frieden, die Nationalismus und Isolationismus auch für Europa bedeuten.

  

Das Buch ist nicht nur ein Gewinn für diejenigen, welche die Politik des ehemaligen grünen Außenministers befürworteten, sondern für alle, denen die Zukunft Europas am Herzen liegt, weil Sichtweisen jenseits von kleinkarierter Parteipolitik erkennbar werden.

Klaus-Rainer Martin

 

 Arun Gandhi

 Übersetzung: Alissa Walser

 

 

Wut ist ein Geschenk

 Das Vermächtnis meines Großvaters Mahatma Gandhi

  

August 2017, als Buch 20,00 €, als eBook 15,99 €

  

Mahatma Gandhi hat mit seiner Lehre die Welt verändert. Seine Idee des Widerstands durch Ungehorsam und Gewaltlosigkeit haben Tausende, darunter Martin Luther King und Nelson Mandela, inspiriert. Sein Vermächtnis an seinen Enkelsohn kann uns allen Orientierung geben in diesen schwierigen Zeiten.

  

Arun Gandhi ist der Enkel Mahatma Gandhis. Als 12-Jähriger erlebte er den bedeutenden und einflussreichen Friedensaktivisten aus nächster Nähe. Zwei Jahre lang lebte er gemeinsam mit ihm im Ashram Sevagram in Zentralindien. Während dieser Zeit lehrte sein Großvater ihn die zehn wichtigsten Lektionen des Lebens:

  1. Wut ist ein Geschenk
  2. Hab keine Angst, deine Stimme zu erheben
  3. Lerne die Einsamkeit schätzen
  4. Kenne deinen Wert
  5. Lügen sind Ballast
  6. Verschwendung ist Gewalt
  7. Erziehe deine Kinder ohne Gewalt
  8. Demut ist Stärke
  9. Die fünf Säulen der Gewaltlosigkeit sind Respekt, Verständnis, Akzeptanz,        Wertschätzung und Mitgefühl
  10. Du wirst auf die Probe gestellt

  

Das Buch ist in diese zehn Lektionen unterteilt. Arun Gandhi beschreibt, wie er seinen Großvater erlebt, wie diese Lektionen sein Leben geprägt haben, und was wir heute davon beherzigen sollten. Dabei lässt er seinen Großvater oft zu Wort kommen:

  

„Wir sollten uns nicht für unsere Wut schämen. Sie ist eine sehr gute und sehr mächtige Sache, die uns motiviert. Aber wofür wir uns schämen müssen, ist die Art, wie wir sie missbrauchen.“

  

„Wut ist für einen Menschen wie Benzin für ein Auto. Sie treibt einen an, damit man weiterkommt an einen besseren Ort. Ohne sie hätte man keinerlei Motivation, sich einem Problem zu stellen.“

 

„Ein Nein aus tiefster Überzeugung ist besser und größer als ein Ja, das nur gefallen will, oder noch schlimmer, Schwierigkeiten umgehen möchte.“

  

„Wie können wir die Welt verändern, wenn wir nicht zu benennen wagen, was falsch läuft?“

 

„Es war mir schon immer ein Rätsel, dass sich Menschen als ehrenwert empfinden, obwohl sie ihre Mitmenschen demütigen.“

 

„Etwas zu vergeuden ist mehr als eine schlechte Angewohnheit. Es ist ein Ausdruck von Achtlosigkeit, und es ist Gewalt gegen die Natur.“

  

„Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind.“

  

Vergeben ist mannhafter als Vergelten.“

  

„Sieben Säulen der Gesellschaft:

  • Wohlstand ohne Arbeit
  • Vergnügen ohne Bewusstsein
  • Kommerz ohne Moral
  • Wissenschaft ohne Menschlichkeit
  • Wissen ohne Persönlichkeit
  • Verehrung ohne Opfer (nicht von Tieren, sondern von Vermögen)
  • Politik ohne Prinzipien.“

  

Das Buch wurde von der Übersetzerin und Malerin Alissa Walser (geboren 1961) ins Deutsche übersetzt. Alissa Walser lebt in Frankfurt am Main und wurde wegen der Übersetzung vieler Werke mehrfach ausgezeichnet.

  

Wer sich auf die Aussagen dieses Buches einlässt, welche meistens mit persönlichen Erlebnissen des Autos verdeutlicht werden, ist von diesem Buch fasziniert.

 Klaus-Rainer Martin

 

Frank Richter

  

 

Hört endlich zu

 Weil Demokratie Auseinandersetzung bedeutet

 

März 2018, 89 Seiten, als Buch 10,00 €, als eBook 9,99 €

 

Der Dresdener katholische Theologe Frank Richter, 1960 in Meißen geboren, war einer der maßgeblichen Akteure der friedlichen Revolution in der DDR. Auch im wiedervereinigten Deutschland wurde er bekannt als Vermittler zwischen verhärteten Fronten. Seit die PEGIDA-Bewegung 2014 Dresden, Sachsen und Deutschland spaltet, setzt er sich für Gespräche mit der Führung und den Unterstützern der Bewegung ein. Von 2009 bis 2017 war er Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und ist 2017 nach 25 Jahren aus der CDU ausgetreten. Heute ist er in der Geschäftsführung der Frauenkirche in Dresden tätig.

 

Er fordert in seinem Buch „Hört endlich zu!“ dazu auf, mit den Menschen von Pegida zu reden, statt sie auszugrenzen. In seiner Streitschrift fordert er, die Spirale der Eskalation durch Kommunikation anzuhalten. Man möchte ihm und den konservativen Vertretern der sächsischen evangelischen Landeskirche und den Vertretern von Pegida zurufen: „Denkt endlich nach und schaut nicht nur auf euer begrenztes Umfeld, sondern auf die ganze Welt!“ – Für mich bleibt allerdings offen, wer wem endlich zuhören soll. Darin besteht das Hauptproblem des Buches, dass Richter gar nicht genau sagt, wer eigentlich wem zuhören soll.

  

Trotzdem fand ich in seinem Buch zwei Aspekte für bedenkenswert: Während in Westdeutschland für die Menschen mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ 1949 die soziale Marktwirtschaft mit dem Slogan „Wohlstand für alle“ kam, wurde 1989 den Menschen in Ostdeutschland mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ die neoliberale Wirtschaftsordnung mit Gewinnmaximierung für die Aktionäre übergestülpt. Richter schreibt hierzu: „Wie eine Furie zog der Neoliberalismus übers Land und hinterließ eine Schneise geistiger Verwüstung“. Zum zweiten sehen die Menschen, welche die Macht der christlichen Religion als überwunden glaubten, in der islamischen Religion eine Gefahr. – Es kommt also darauf an, grundsätzlich die Rolle von Religionen in unserer heutigen, pluralistischen Gesellschaft überzeugend darzulegen. Hier versagt die sächsische evangelische Landeskirche vollends.

 

Richters Rezept? Er regt eine Diskussion über eine neue gesamtdeutsche Verfassung an und schreibt:

  

„gesagt ist noch nicht gehört,

gehört ist noch nicht verstanden,

verstanden ist noch nicht einverstanden,

einverstanden ist noch nicht überzeugt,

überzeugt ist noch nicht getan.“

Klaus-Rainer Martin

 

 

Michael Wolff

Übersetzer:

Gunsteren, Dirk van; Bogdan, Isabel; Gunkel, Thomas; Schönherr, Jan; Hens, Gregor; Stingl, Nikolaus; Schmitz, Werner

 

Feuer und Zorn

 Im Weißen Haus von Donald Trump

 

Februar 2018, 371 Seiten, als Buch 19,95 €, als eBook 16,99 €

  

Donald Trump versuchte vergeblich, die Veröffentlichung dieses Buches zu verhindern. Damit hat er zu einem weltweiten Interesse an diesem Buch beigetragen. Unmittelbar nach Veröffentlichung dieses Buches wurde es auch von einem Übersetzungsteam ins Deutsche übersetzt. Gerade darin, dass inzwischen nahezu fast alle Personen aus Trumps Umgebung, die in diesem Buch beschrieben werden, zurückgetreten oder von Trump entlassen worden sind, wird deutlich, wie unprofessionell derzeit eines der größten Staaten der Erde regiert wird.

 

Über den Autor:

„Michael Wolff, 1953 geboren, ist ein amerikanischer Journalist und Autor. Er hat sechs Bücher veröffentlicht, darunter «The Man Who Owns the News» (2008), eine Biographie von Rupert Murdoch. Wolff hat zahlreiche Preise für seine Arbeit erhalten, darunter zweimal den «National Magazine Award». Er lebt in New York und hat vier Kinder.“

 

„Es ist das Enthüllungsbuch, das die Präsidentschaft von Donald Trump erschüttert: Michael Wolffs «Feuer und Zorn» ist ein eindrucksvolles Sittengemälde der amerikanischen Politik unter Trump. Im Mittelpunkt ein Präsident, den seine Mitarbeiter wie ein kleines Kind behandeln, und der umgeben ist von Inkompetenz, Intrigen und Verrat. Der Bestseller-Autor Wolff beschreibt das Chaos, das in den ersten Monaten im Weißen Haus geherrscht hat, er enthüllt, wie nah die Russland-Verbindung an Trump herangerückt ist und wie es zum Rauswurf des FBI-Chefs Comey kam. Und er liefert erstaunliche Details über das Privatleben dieses Präsidenten. Über zweihundert Interviews hat Wolff mit den engsten Mitarbeitern des US-Präsidenten geführt, darunter auch der ehemalige Chef-Berater Stephen Bannon: Noch nie ist es einem Journalisten gelungen, das Geschehen im Weißen Haus so genau nachzuzeichnen. Herausgekommen ist das einzigartige Porträt eines Präsidenten, der selbst nie damit gerechnet hat, die Wahl zu gewinnen. Michael Wolffs Bericht aus dem Weißen Haus unter Trump ist in den USA ein Bestseller: ein aktuelles politisches Buch, das sich wie ein Königsdrama von Shakespeare liest.“

 Rezension aus www.buecher.de

 

 

Magnus Brechtken

  

Albert Speer

 eine deutsche Karriere

 Das Ende einer Legende: Speer und die Lüge von der aufrichtigen Reue

 

Juni 2017, 1192 Seiten, als Buch 40,00 €, als eBook 32,99 €

  

Der Architekt Albert Speer, geboren 1905 in Mannheim, war seit 1931 Mitglied der NSDAP und wurde bald ein Vertrauter Hitlers. Der machte ihn zum Generalbaudirektor des Deutschen Reiches. Das Nürnberger Reichstagsgelände, das Berliner Olympiastadion und Hitlers Reichskanzlei in Berlin trugen seine Handschrift. Der von Albert Speer geprägte nationalsozialistische Baustil zeichnet sich aus durch große Granitsteinbauten. Es wurde so gut wie kein Stahlbeton verbaut, denn den Stahl benötigte man für die Rüstungsindustrie. Außerdem sollten noch in vielen tausend Jahren die Ruinen vom Großdeutschen Reich zeugen, ohne dass der Stahl im Stahlbeton rostete. 1943 machte Hitler Albert Speer zu seinem Rüstungsminister. Als solcher engagierte er sich im Krieg und half mit, diesen zu verlängern, was für viele Menschen den Tod oder die Vertreibung bedeutete.

  

Trotzdem gelang es Albert Speer im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, die Richter davon zu überzeugen, kein richtiger Nazi gewesen zu sein, sondern nur ein naiver und ahnungsloser unpolitischer Techniker. Er entwickelte sogar glaubhaft die Legende, dass er vorhatte, Hitler und viele andere Nazi-Funktionäre durch ein Attentat umzubringen. So wurde er im Unterschied zu vielen anderen Nazi-Funktionären nicht zum Tode verurteilt, sondern nur zu zwanzig Jahren Haft. Am 1. Oktober 1966 wurde er aus der Haftanstalt Berlin-Spandau entlassen.

  

Dort hatte er beharrlich an seinen Legenden weitergearbeitet. Nach seiner Haftentlassung, 1969, veröffentlicht er mit Hilfe des Historikers Joachim Fest und des Verlegers Wolf Jobst Siedler das Buch „Erinnerungen“ und 1975 das „Spandauer Tagebuch“. In beiden Büchern verfestigte er seine Legendenbildung, behauptete, von der Judenvernichtung nichts gewusst zu haben und wälzte alle Schuld auf Hitler, Himmler, Göring, Goebbels und weitere hohe Nazi-Funktionäre ab. Diese Legenden vielen bei vielen Deutschen auf fruchtbaren Boden, erklärten sie doch viele Millionen Mittäter zu naiven und ahnungslosen Mitläufern, zumal auch die meisten Historiker Albert Speer als „Zeitzeugen“ einstuften, der sogar Hitler wenige Tage vor seinem Selbstmord noch im Führerbunker besucht hatte, ohne seine Behauptungen zu hinterfragen. Auch nach Albert Speers Tod am 1. September 1981 hält sich die Legende vom „guten Nazi“ noch über drei Jahrzehnte, obwohl in dieser Zeit einige Historiker Zweifel anmeldeten.

 

Erst dem renommierten Historiker und stellvertretenden Direktor des Münchener Instituts für Zeitgeschichte Magnus Brechtken gelang es, nach Durchforsten zahlreicher Dokumente Speers Legenden und die Lüge von der aufrichtigen Reue zu beenden und nachzuweisen, dass Albert Speer gleichsam nach Himmler an der Vernichtung der Juden und den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den unterirdischen Arbeitslagern zur Waffenproduktion für den Tod tausender KZ-Häftlinge verantwortlich war.

  

Das Buch ist damit geradezu ein Lehrstück darüber, wie man in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg jahrzehntelang mit der eigenen Geschichte umgegangen ist, und dass „Zeitzeugen“ keineswegs zur Aufklärung von Sachverhalten beitragen, sondern bewusst den Blick auf die Geschichte verfälschen können. Deshalb ist das Buch allen Geschichtsinteressierten wärmstens zu empfehlen.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

Jens Wernicke

 Lügen die Medien?

 Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung

 

 2017, Spiegel-Bestseller;

 als Buch 18,00 €, als eBook 6,99 €

  

Seit Pegida das Wort „Lügenpress“ wieder in den gesellschaftlichen Diskurs gebracht hat, wird vielerorts die Frage gestellt, ob die Medien lügen. Auch der Autor Jens Wernicke, geboren 1977, bildungspolitischer Referent der GEW des Landesverbandes Hessen, geht dieser Frage nach. In zahlreichen Interviews mit Journalisten, Wissenschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft sucht er nach Antworten auf diese Frage. Er bekommt als Antwort von allen kein eindeutiges Ja oder Nein, sondern differenzierte Aussagen, welche dazu auffordern, die Medien nicht generell zu bezichtigen oder gar zu beschimpfen, sondern deren Berichterstattungen sehr aufmerksam und fragend entgegenzunehmen. Generell wird festgestellt: Den Bürgern werden nicht bewusst Lügen aufgetischt. Aber beispielsweise wird über Kriegs- und Krisensituationen in der Welt nur einseitig aus dem Blickwinkel der Seite, auf der sich die Berichterstatter befinden, berichtet. Dabei verfügen häufig finanzschwache Medien über kein eigenes Netz von Auslandskorrespondenten, sondern stellen ihre Berichte aus dem Material zusammen, das ihnen von Presseagenturen zur Verfügung gestellt wird. Damit kommt den Presseagenturen eine besondere Verantwortung zu, um die Berichterstattung wirklich als „vierte Macht“ neben Legislative (Gesetzgebung), Exekutive (ausführende Gewalt) und Judikative (Rechtsprechung), nämlich als öffentliche Kontrolle, zu fungieren. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Macht der Medien immer stärker auf einige wenige Medienkonzerne konzentriert. Ob die Medien, nicht nur die privatrechtlichen, sondern auch die öffentlich-rechtlichen, in allen Fällen dieser Rolle gerecht werden, oder mitunter dem unterliegen, was ihnen von regierungsamtlicher, parteipolitischer oder privatwirtschaftlicher Seite präsentiert wird, muss daher in jedem Einzelfall hinterfragt werden.

 

So erfährt man aus den Interviews, wo das in einzelnen Situationen der Fall war, und wo zurecht am Wahrheitsgehalt der Berichterstattung gezweifelt wurde. Und man erfährt, dass diese Situationen zunehmen, dass es sich dabei nicht nur um Fehler handelt, die unbeabsichtigt passiert sind, sondern oft um bewusst in die gewünschte Richtung gestreute Informationen. Deshalb ist jede Bürgerin und jeder Bürger dazu aufgerufen, jede Berichterstattung, ganz gleich ob sie aus einem Krieges- und Krisengebiet oder aus unserer Politik oder Gesellschaft kommt, kritisch danach zu hinterfragen, von wem sie veröffentlicht wurde. Es ist jedoch falsch, deshalb die Medien pauschal als „Lügenpresse“ zu verteufeln.

Klaus-Rainer Martin

 

Reichsbürger

 Die unterschätzte Gefahr

 

Herausgegeben von Andreas Speit,

erschienen im September 2017, als Buch 18,00 €; als eBook 12,99 €

  

Als im Oktober 2016 im fränkischen Georgensgmünd ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in das Wohnhaus eines Reichsbürgers eindringt, um dort gehortete Waffen zu beschlagnahmen, eröffnet dieser das Feuer, da sie in sein Anwesen, das er als „Deutsche Reich“ ansah, eingedrungen waren, welches er gegen jeden Eindringling mit Waffengewalt verteidigte. Er verletzte vier Polizeibeamte. Einer von ihnen wird tödlich getroffen. Der Schütze gehört zu jener Bewegung von Verschwörungsfanatikern, die die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht anerkennen. Bis dahin hatte der deutsche Verfassungsschutz die Angehörigen der Szene als "Spinner" und als ungefährlich abgetan. Deshalb fanden die Reichsbürger Jahrzehnte lang keine Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten der Länder und des Bundes. Das hat sich seit dem tödlichen Vorfall im Oktober 2016 geändert.

 

Der Herausgeber des Buches Andreas Speit wurde 1966 in Hamburg geboren, arbeitete zunächst als Heilerziehungspfleger und studierte dann Sozialwissenschaft. Heute ist er als freier Journalist in Hamburg tätig. Als Rechtsextremismus-Experte beleuchtet er gemeinsam mit weiteren Fachleuten die Ideologie und die Akteure der verschiedenen Gruppen, welche kein einheitliches Bild abgeben. So gibt es Reichsbürger, welche sich auf das Kaiserreich vor 1918 beziehen, andere beziehen sich auf das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937. Andere erkennen grundsätzlich keine staatliche Gewalt an. Doch eines ist ihnen gemeinsam: Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetze nicht an, bezeichnen diese häufig als „Bundesrepublik Deutschland GmbH“ und verweigern jegliche Zahlung an den Staat, seien es Steuern oder Strafmandate, da die Bundesrepublik kein Staat, sondern nur eine Firma sei. Zudem verteidigen die meisten von ihnen ihr Anwesen als „Deutsches Reich“ oftmals mit Waffengewalt. Einzelne von ihnen bezeichnen sich als Reichskanzler, Reichspräsident oder Minister einer Reichsregierung.

 

In zahlreichen Beiträgen wird von den Autoren deren Weltbild analysiert, ihre Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen, zur AfD und zu Pegida untersucht und beschrieben, wie ihnen angemessen zu begegnen ist.

  

Das Buch ist für alle zu empfehlen, die mehr und Genaueres über diese Bewegung erfahren möchten.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

Katajun Amirpur

  

Den Islam neu denken

  Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte

  

Februar 2013; als Buch 14,95 €; als eBook 11,99 €

 

Dem Islam wird oft nachgesagt, er habe den Anschluss an Moderne und Aufklärung verpasst - ein Irrtum, wie Katajun Amirpur in ihrem eindrucksvollen Buch zeigt. Sie stellt die einflussreichsten Erneuerer des Islams vor, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen und dabei immer mehr Anhänger in Orient und Okzident finden. Sie wollen die Deutungshoheit über den Islam nicht den Fundamentalisten überlassen und setzen dem Dschihad gegen die Ungläubigen ihren eigenen Dschihad für mehr Freiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter entgegen. Zur Sprache kommen unter anderem der ägyptische Korangelehrte Abu Zaid, der durch die Zwangsscheidung von seiner Frau bekannt wurde, und die amerikanische Frauenrechtlerin Amina Wadud, die mit der Leitung eines Freitagsgebets - als erste Frau überhaupt - weltweit Aufsehen erregte. Ihre auf dem Koran gründenden Überlegungen zu einer gerechten politischen Teilhabe aller Menschen können, so zeigt das Buch, auch für Nicht-Muslime höchst anregend sein.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Florian Hartleb

 

 Die Stunde der Populisten

 Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können

  

2017; alsBuch 16,90 €; als eBook 13,99 €

  

Der Autor Florian Hartleb, 1979 in Passau geboren, promovierter Politikwissenschaftler, der als Pressereferent im Deutschen Bundestag und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität in Chemnitz gearbeitet hat und heute als Politikberater in Tallinn in Estland lebt, stellt in seinem Buch die Fragen „Was ist mit unseren westlichen Demokratien momentan eigentlich los?“, „Ist der US-Präsident Donald Trump ein Vorbote für Europa?“ und „Warum schlägt die Stunde der Vereinfacher im Zuge von Flüchtlingskrise, Terrorismus und Brexit derzeit so laut und schrill?“. Er formuliert seine Sorgen über die jüngsten politischen Entwicklungen und darüber, dass inzwischen viele Argumente der Populisten Eingang in Argumentationen vieler Bürger und in unsere demokratischen Parteien gefunden haben. Dadurch entwickeln sich in unserer Gesellschaft Spaltungstendenzen, wie sie die Bundesrepublik Deutschland seit ihrem Bestehen noch nie erlebt hat.

  

Mit seinem Buch betreibt Florian Hartleb nicht nur Aufklärungsarbeit, sondern er diskutiert auch darüber, wie den Demagogen Einhalt geboten werden kann.

  

All denen, die sich ebenso Sorgen über die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung machen und in diesem Sinne „besorgte Bürger“ sind, ist dieses Buch zu empfehlen.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

Jürgen Mette

 Alles außer Mikado

 Leben trotz Parkinson

  

2013; als Buch 14,99 €; als eBook 11,99 €

 

Der Autor Jürgen Mette, geboren am 29. Februar 1952, ist Theologe, war in vielen Ämtern und Positionen verantwortlich tätig und hat einen Lehrauftrag an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg. Zudem engagiert er sich in vielen Organisationen von evangelisch-reformatorisch gesinnten Christen aus verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften, wie z.B. in der Deutschen Evangelischen Allianz.

  

Als Jürgen Mette in seinem 60. Lebensjahr während der Produktion einer TV-Sendung von einem unkontrollierten Zittern überfallen wird, ahnt er, dass mehr als Kälte und Erschöpfung dahinterstecken. Eine Reihe ärztlicher Untersuchungen bringt schließlich die deprimierende Gewissheit: Parkinson ist in sein Leben getreten. Ein Leben, das vorher bestimmt war von kraftstrotzender Gesundheit und einem hohen Maß an Energie, Lebensfreude und einem vollen Terminkalender. Nun wird alles von der unheilbaren Krankheit Parkinson beeinflusst, die er in seinem Buch „Herr P.“ nennt.

In diesem als Spiegel-Bestseller erschienenen Buch erzählt Jürgen Mette nicht nur von seinem ereignisreichen Lebenslauf. Vielmehr nimmt er die Leserin / den Leser mit auf eine Reise durch die Höhen und Tiefen einer chronischen Krankheit, die seinen Alltag mehr und mehr prägt. Skurrile und niederschmetternde Erlebnisse haben in seinem Buch ebenso Platz wie Mut machende Erfahrungen. Er vermittelt aus seinem christlichen Glauben heraus tiefe Einsichten darüber, was im Leben wirklich trägt und zählt und macht damit jedem Mut, dessen Leben ebenso von Parkinson oder einer anderen unheilbaren Erkrankung geprägt wird.

  

Dieses Buch ist gerade für Diakoninnen und Diakone in der Altenarbeit lesenswert, auch wenn sie nicht alle Ansichten des Autors teilen mögen. Damit regt das Buch nicht nur zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Gebrechen an, sondern auch mit den Fragen und Zweifeln des eigenen christlichen Glaubens. Das Buch eignet sich damit auch als Geschenk für Menschen, die mit ähnlichen Situationen und Lebenskrisen fertig werden müssen, wie sie der Autor beschreibt.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Fabian Vogt

  

2017 - Die neue Reformation

 

  Roman, erschienen 2012; 16,99 € als Buch, 13,99 € als eBook

 

Der Autor Fabian Vogt, Jahrgang 1967, ist Pfarrer, Germanist, Musiker und Schriftsteller. Seit 2006 arbeitet er in der Sonderpfarrstelle des Hessischen Rundfunks. Er lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main. 

 

Der Roman beginnt mit der Rückreise einer Gruppe junger Studenten vom Kirchentag 2015 in Stuttgart in den Phantasieort Oberstedten bei Frankfurt und dem Wunsch, es möchte dort in ihrer Kirchengemeinde so weitergehen, wie sie es in Stuttgart erlebt haben. Sie beschließen deshalb, ihre Kirchengemeinde zu verändern: Pop-Musik statt Orgelmusik, bunte Kleidung statt schwarzem Talar, fröhliche Events statt Gottesdienste mit immer der gleichen aus dem Mittelalter stammenden Liturgie, die eh keiner versteht, fröhliche Festgelage statt Abendmahl mit Hostie und einem Schluck Traubensaft. In 95 Thesen werden diese Forderungen am 31. Oktober 2017, 500 Jahre nach der Reformation, im Internet veröffentlicht. Mit Hilfe von Facebook entsteht eine neue Bewegung, an deren Ende die Loslösung von der protestantischen Kirche und die Gründung der „Lebendigen Kirche“ (LK) als eine neue Konfession steht. Dabei werden die Verantwortlichen der protestantischen Kirche auf allen Ebenen durchweg als konservativ, als hinterweltlerisch beschrieben, welche in ihren Gemeinden und Gremien keine Veränderungen zulassen. 

 

Der „Luther 2017“ heißt Christian von Haewen. Er erlebt mit seinen Freunden in Rollen wie 1517 Luthers Freunde Ähnliches, jedoch angepasst an das 21. Jahrhundert. Allerdings werden hier – im Unterschied zu Luthers Reformation – keine inhaltlichen Reformen beschrieben. Die „Reformation 2017“ beschreibt nur Veränderungen der Formen und Rituale und klammert dabei Kritikpunkte an Luther, wie seine radikale Ablehnung der Juden und des jüdischen Glaubens oder die Praktizierung von Nächstenliebe in Einrichtungen der Diakonie und in Kirchengemeinden völlig aus. In der „Lebendigen Kirche“, welche einen regen Zulauf und rege Beachtung in der Öffentlichkeit erhält, zählen nur Begeisterung und Genuss des Einzelnen, wie überall in unserer immer unsolidarischer werdenden Gesellschaft. 

 

Das hat mich so aufgewühlt, dass ich das Buch, ohne es zu Ende zu lesen, für einige Zeit beiseite legen musste. – Für mich ist die „neue Reformation“ keine Reformation, die neues Denken bewirkt, sondern nur die Forderung nach formalen Veränderungen, welche ich in allen Kirchengemeinden und kirchlichen Gremien, in denen ich tätig war und bin, in maßvoller Form ohnehin vorfinde, ohne dass dabei Bewährtes und gewachsene Traditionen über Bord geworfen werden. So singe ich beispielsweise in einem Chor mit, welcher nicht nur Gospels singt und Pop-Musik macht, sondern auch Choräle zeitgenössischer Komponisten und Lieder von Bach oder Buxtehude zu Gehört bringt. – Gerade in dieser Vielseitigkeit liegt sein Wert. 

 

Nach einiger Zeit habe ich wieder zu dem Buch gegriffen, denn ich wollte wissen, ob sich die „Lebendige Kirche“ in diesem Roman wieder auflöst und ob die Protagonisten wieder zurück finden zur protestantischen Kirche. Doch die LK feiert in diesem Roman 2042 ihr 25jähriges Bestehen. Nur im Nachwort erfährt die Leserin / der Leser, dass sich der Autor in seiner Kirchengemeinde zu Hause fühlt, dass vieles von dem, was in dem Roman nur die LK praktiziert, vorzufinden ist. 

 

Die „neue Reformation“ erscheint mir nicht glaubwürdig. Es wird kein anderer Jesus beschrieben, als der, den wir seit Luthers Bibelübersetzung kennen, kein anderer Glauben vermittelt, nicht zu anderem Denken angeregt, wie das Martin Luther mit seinen zahlreichen Schriften, wie z.B. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ getan hat. 

 

Interessant war für mich nur, dass die Schilderung der „neuen Reformation“ eingebettet ist in eine Reise des „neuen Reformators“ nach Griechenland in die Missions-Reisen des Apostels Paulus, die wir aus der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen kennen. Hier folgt der „neue Reformator“ den Spuren des Apostels Paulus und findet Bestätigung seines Denkens. Das mag für historisch Interessierte spannend sein, zumal hier die Ergebnisse neuester Ausgrabungen und Forschungen beschrieben werden. 

 

Mir hat das Buch bestätigt, dass unsere Evangelisch-Lutherische Kirche keine neue Reformation braucht, sondern Aufgeschlossenheit gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit, ohne sich geradezu populistisch dem Zeitgeist anzupassen.

 

Klaus-Rainer Martin

 

 

Felix zu Löwenstein

 Es ist genug da. Für alle.

 Wenn wir den Hunger bekämpfen, nicht die Natur

 

1. Auflage 2015, 2. Auflage 2017;

als Buch 12,99 €, als eBook 10,99 €

 

Der Autor heißt mit vollem Namen Felix Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Er wurde 1954 geboren und lebt heute als Agrarwissenschaftler mit seiner Familie in Hessen, wo er auch den bäuerlichen Hof seiner Eltern betreibt. Er bekleidet verschiedene Ehrenämter in Organisationen des ökologischen Landbaus, ist Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Er gilt als bedeutender Kritiker der modernen industriellen Landwirtschaft. 2016 erhielt er für sein vielseitiges Engagement im Ökolandbau das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande.

  

In seinen zahlreichen Büchern legt er ein beeindruckendes und überzeugendes Plädoyer für eine ökologische Landwirtschaft ab und ein Plädoyer für ein nachhaltigeres und gerechteres Landwirtschaftssystem.

 

In seinem neuesten Buch beschreibt er, dass es die Weltgemeinschaft schon heute nicht schafft, alle Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Und er nennt die Gründe für dieses Dilemma. Vor allem aber fragt er, wie in Zukunft neun Milliarden Menschen, die die Erde bevölkern werden, ernährt werden können. Seine engagierte Position ist eine klare Absage an die industrielle Landwirtschaft und ihr unhaltbares Wachstumsversprechen, das auf genveränderte Pflanzen, den Einsatz von Pestiziden und die Schaffung von Monokulturen setzt. Deshalb schlägt er vor, auf der ganzen Erde künftig die Nahrungsmittelproduktion auf der Grundlage des ökologischen Landbaus vorzunehmen. Und er zeigt Wege auf, wie die derzeitige industrielle Landwirtschaft auf eine bäuerliche Landwirtschaft umgestellt werden sollte. Dabei ist sein Plädoyer kein Zurück zu alten Strukturen, sondern ein Besinnen auf die neuen Erkenntnisse der Agrarwissenschaften. Erste Schritte von uns allen könnten aber schon sein, unser Wegwerfverhalten zu überdenken, denn es ist langfristig nicht verantwortbar, ein Viertel aller Lebensmittel wegzuwerfen, weil z.B. das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Ebenso wichtig ist es, mehr auf regionale Produkte zurückzugreifen. Jogurt aus Bayern nach Schleswig-Holstein transportiert, trägt nicht dazu bei, die Klimaschutzziele zu erreichen.

  

Neben der Diskussion um den Klimaschutz wird uns die Diskussion um die Welternährung in Zukunft noch sehr beschäftigen. Wir müssen uns ihr stellen. So gesehen ist das Buch von Felix zu Löwenstein zur rechten Zeit ein wichtiger Diskussionsbeitrag.

                                                                                                               Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

Rüdiger Frank

 Nordkorea

 Innenansichten eines totalen Staates

 Januar 2017, als Buch 19,99 €, als eBook 11,99 €

  

Nordkorea ist das isolierteste Land der Erde. Wenige Nachrichten dringen aus dem vom Kim-Clan diktatorisch regierten Staat nach außen, und wenn, dann sind es meist Negativschlagzeilen. Der Autor Rüdiger Frank wurde 1969 in Leipzig geboren und verlebte seine Kindheit und Jugendzeit in der DDR und in der Sowjetunion. 1991/92 verbrachte er ein Semester an der Kim-Il-Sung-Universität in Pjönjang in Nordkorea. Heute ist er als Ökonom und Ostasienexperte an der Universität in Wien tätig. und nimmt in Seoul (Südkorea) eine Gastprofessur wahr. In seinem Buch beschreibt er die Machtstrukturen, die wirtschaftlichen Verhältnisse, und den Alltag Nordkoreas.

Aus seiner Erfahrung berichtet er auch von den Veränderungen, die er in den letzten Jahren beobachten konnte, und versucht eine für uns unbegreifliche Gesellschaft ein wenig begreiflicher zu machen. Man lernt viel über Nordkorea. Hierbei wird deutlich, dass in Nordkorea eine sehr spezielle Spielart des sozialistischen Systems herrscht, das groteske Züge der Führerverherrlichung pflegt, die es ähnlich auch in Stalins Sowjetunion gab. Besonders ausgeprägt ist ein harter Nationalismus und die Sehnsucht nach einer spezifischen Identität. Das drückt sich in Gestalt der Juche-Ideologie aus. Sie suggeriert, das Land (und das Regime) sei alleiniger Herr über alle Aspekte des Daseins und werde dies auch für alle Zeiten bleiben. Der Autor arbeitet das sehr gut heraus, ebenso das Verhältnis zu seinen großen Nachbarn China und Russland bzw. Sowjetunion vor und nach dem Zusammenbruch des Kommunismus.

Für alle, die Nordkorea ein wenig besser verstehen möchten, ist das Buch zu empfehlen, wenngleich der Autor auch viele Fragen offen lassen muss, da das Regime manchen tieferen Einblick in die Lebensverhältnisse seiner Bürger verwehrt.

 Klaus-Rainer Martin

 

 

Heike Kleffner, Matthias Meisner (Hrsg.)

 

Unter Sachsen

- Zwischen Wut und Willkommen

  

März 2017; Ch. Link Verlag, Berlin

als Buch: 18,00 €, als eBook: 12,99 €

  

Die Berliner Politikwissenschaftlerin Heike Kleffner, geboren 1966, und der Dresdner Journalist Matthias Meisner, geboren 1961, gehen in vierzig Beiträgen verschiedener Autoren der Frage nach, ob die sogenannten sächsischen Verhältnisse mit der Pegida-Bewegung und den vielen rechten Gewalttaten ein vor allem auf den Freistaat Sachsen begrenztes Phänomen ist. Oder muss die zunehmende Radikalisierung überall in Deutschland als Vorbote politischer Veränderungen verstanden werden. Die Frage, weshalb gerade in Sachsen die meisten rechten Straftaten begangen werden, können auch die vierzig Autoren nicht schlüssig beantworten. Sie weisen aber auf den Zustand der sächsischen CDU hin und berichten über eigene Erfahrungen mit Rassismus in Dresden, Leipzig, Bautzen, im Erzgebirge und anderen sächsischen Orten. Das Buch benennt aber auch die vielen Menschen, welche dennoch gegen diese Entwicklung angehen und sich dafür engagieren, dass Sachsen nicht nur als ein fremdenfeindliches Land gesehen wird.

 

Kritisch wird die konsequente Verharmlosung rechter Gesinnung und Gewalt seit 1990 durch die sächsische CDU beschrieben. Beschrieben werden auch die „Lichtelläufe“ Ende 2013 im erzgebirgischen Schneeberg, welche als Vorläufer der Dresdener Pegida-Bewegung gelten können. Auch Pegida wird detailliert beschrieben, ebenso die AfD. Das geschieht oft aus der Sicht von Menschen mit „Migrationshintergrund“ oder Ausländern, welche schon lange in Deutschland leben und sich mit dem Gedanken tragen, aus Sachsen wegzuziehen.

  

Da ich im Erzgebirge geboren wurde und dort meine Kindheit und Jugendzeit verbrachte und mich in den 1950er Jahren in der Nähe Schneebergs in der Jungen Gemeinde gegen den kommunistischen Atheismus engagierte, bewegten mich die Berichte des Buches in besonderer Weise. Bei einem Besuch im März 2016 in dieser Gegend sagte ein pensionierter Pastor, einst Mitstreiter in der Jungen Gemeinde, in einem Diskussionsgespräch: „Wir teilen nicht die Auffassung der EKD. Die Flüchtlinge muslimischen Glaubens sollten bei ihren muslimischen Glaubensbrüdern in den arabischen Staaten Zuflucht suchen und nicht bei uns in Europa“. Ich war sprachlos und konnte nur noch erwidern, dass ich das Gebot Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ anders verstehe. Ein anderer Pastor sagte zu mir: „Bei Pegida marschieren nicht nur rechte Chaoten. Es gehen auch Christen aus unserer Gemeinde mit.“ Ich konnte nicht mehr weiter diskutieren. Unwillkürlich musste ich an die Fernsehbilder von einer Pegida-Demonstration in Dresden denken. Dort sah man einen Demonstranten mit einem Kreuz. Das war in den Farben schwarz-rot-gold angestrichen. Das sind die heutigen Deutschen Christen, ging mir durch den Kopf. Und ich musste an das alte deutsche Sprichwort denken: „Herzlosigkeit ist der größte Herzfehler.“

Klaus-Rainer Martin

 

 

Reinhold Vetter  

Nationalismus im Osten 

- Was Kaczynski und Orban 

mit Le Pen und Wilders verbindet 

März 2017, als Buch 18,00 €, als eBook 12,99 €

 

Der Ingenieur für Vermessungstechnik Reinhold Vetter, geboren 1946, war nach seinem Studium der Politikwissenschaft und der Journalistik bei verschiedenen Zeitungen, in Hörfunk und Fernsehen in Berlin, Warschau und Budapest tätig. Seine Schwerpunkte sind Zeitgeschichte, Politik und Wirtschaft in Ostmitteleuropa. Hierüber hat er mehrere Bücher veröffentlicht. In seinem neuesten Buch setzt er sich mit dem Erstarken nationalistischer Bewegungen im Osten Europas auseinander und beschreibt ausführlich die Verknüpfungen nationalistischer mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien. Dabei zeigt er auch die Verbindungen zu rechtspopulistischen Strömungen und Parteien in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland auf. Er geht der Frage nach, welche Ursachen solche Strömungen in osteuropäischen Staaten haben und wie sie sich auf das Verhältnis zur EU auswirken. 

Reinhold Vetter zeichnet ausführlich die Entwicklung des Nationalismus in Polen, in Ungarn, in der Tschechischen Republik und in der Slowakei nach. Er vergleicht diese mit dem Nationalismus in Kroatien, Slowenien und den baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland. Er weist auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin, beleuchtet Perspektiven der von solchen Entwicklungen gefährdeten EU und stellt die von dieser erdachten und für notwendig erachteten Optionen zur Diskussion. 

Reinhold Vetters Buch ist für alle diejenigen zu empfehlen, denen die Zukunft der EU nicht gleichgültig ist.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Tanja Kuchenbecker

  

Marine Le Pen

 Tochter des Teufels.

 Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa

  

Februar 2017, als Buch 22,99 €, als eBook 18,99 €

 

Tanja Kuchenbecker lebt mit ihrer Familie seit 1991 als Journalistin in Paris. Sie kommentiert Ereignisse aus Frankreich für viele deutsche Zeitungen und Zeitschriften, gestaltet für Radiosender Lesungen, berichtet über Politik, Wirtschaft und soziale Themen. Der Zustand der französischen Gesellschaft, die ökonomische Entwicklung, Frankreichs Elitesystem und wie Frankreichs Politiker ticken sind immer wieder ihre Themen. Sie schreibt auch über Lifestyle, verfolgt seit über zwanzig Jahren die Pariser Modenschauen, geht zu Filmfestivals in Cannes. Und natürlich geht es auch immer wieder um Frankreichs Frauen, von Schauspielerinnen und Politikerinnen, wie z.B. Marine Le Pen oder ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Aber auch über die Männer, Nicolas Sarkozy, François Hollande oder Emmanuel Macron wird in ihren Zeitungsartikeln berichtet. Tanja Kuchenbecker, Mutter von zwei Kindern im Alter von 13 und 16 Jahren, hat bereits zwei Bücher geschrieben, über das Mutterdasein in Frankreich  im Vergleich zu Deutschland („Gluckenmafia gegen Karrierehühner“) und die Lebensart in Frankreich („Le Fettnapf“). Nun erscheint ihr drittes Buch, ein Buch über Marine Le Pen. Sie stammt aus Lüneburg, hat in Göttingen und den USA Deutsch und Englisch studiert, kam nach der Journalistenschule in Berlin, Hamburg und Paris als Korrespondentin nach Paris.

  

Frankreich ist die fünftgrößte Volkswirtschaft, Atommacht und eines der wichtigsten Länder der Erde. Nun steht das Land vor einem epochalen Einschnitt. Seit Marine Le Pen von ihrem Vater, dem Antisemiten Jean-Marie Le Pen, den sie aus dem FN ausschloss, nach innerparteilichen Machtkämpfen die Führung des ausländerfeindlichen, antiislamischen, rechtsextremistischen Front National (FN) übernommen hat, eilt die Partei von Erfolg zu Erfolg, denn sie gebärdet sich nicht mehr als rechtsextrem, sondern als eine rechtskonservative, bürgernahe, das politische Establishment bekämpfende Partei. Bei den Europawahlen im Mai 2014 erhielt sie mit 25,4 % die meisten Stimmen in Frankreich. Wird Le Pen im Mai 2017 die nächste französische Präsidentin? Oder gelingt es Emmanuel Macron, das zu verhindern? Tanja Kuchenbecker hat den beispiellosen Aufstieg Marine Le Pens über viele Jahre hautnah verfolgt und viele persönliche Begegnungen mit ihr gehabt. Anschaulich und voller spannender unbekannter Details beschreibt sie Marine Le Pens Motive, ihre Strategie und ihre Vernetzungen in ganz Europa. Und sie zeigt, wie die gefährlichen Ziele und Werte Marine Le Pens und des FN bis in die breite Gesellschaft hinein salonfähig wurden. Marine Le Pens Weg könnte sich zu einem Beispiel gebenden Modell auch für Deutschland, Österreich und ganz Europa entwickeln.

 

Tanja Kuchenbecker bezeichnet Marine Le Pen als „Tochter des Teufels“. Das ist ein ungewohntes und hartes Urteil einer Deutschen, die in Frankreich lebt. Zugleich macht sie damit verdeutlicht, dass man mit Rechtspopulisten so hart und unzweideutig umgehen muss, da es zwecklos ist, mit ihnen in der Hoffnung zu diskutieren, etwas an den vorgefassten Meinungen zu verändern.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

 

Franz Alt

  

Was Jesus wirklich gesagt hat

 -       Eine Auferweckung

2015, als Buch: 22,99 €, als eBook: 18,99 €

 

Franz Alt

  

Die 100 wichtigsten Worte Jesu

 2016, als Buch: 14,99 €, als eBook: 11,99 €

  

Franz Alt, 1938 geboren und vielen als Moderator des Politmagazins „Report Mainz“ vom SWF aus den Jahren 1972 bis 1992 bekannt, setzt sich in seinen Büchern mit den Worten Jesu auseinander. Er, der u.a. auch katholische Theologie studiert hat, versuchte in mehreren Büchern den Menschen unserer Zeit Jesus nahe zu bringen und verständlich zu machen. So schrieb er Bücher über den pazifistischen Jesus der Bergpredigt, den emanzipierten Jesus und Frauenfreund, Jesus als Kämpfer für eine gerechtere Welt und den ökologischen Jesus als Bewahrer der Schöpfung. Diesen Büchern folgen nun zwei Bücher über den aramäisch sprechenden Jesus. Dabei kommt Franz Alt zu dem Schluss, dass die Worte Jesu, wie wir sie aus dem Neuen Testament aus dem Griechischen übersetzt kennen, in vielen Passagen falsch seien, da Jesus aramäisch und in Versform, nicht aber griechisch gesprochen habe. Und dass diese Übersetzungsfehler nicht etwa nur Irrtümer sind, sondern bewusste Fälschungen, um die Kirche so zu organisieren, wie sie sich in zwei Jahrtausenden bis heute darstellt. Dabei beruft sich Franz Alt auf den deutschen evangelischen Theologen Günther Schwarz (1928 – 2009), der das Neue Testament aus dem Griechischen und andere nicht in den Kanon der Bibel aufgenommene Schriften aus dem Syrischen ins Aramäische rückübersetzt und dann wieder ins Deutsche übersetzt hat.

 

An vielen Stellen dieser Rückübersetzung vermag ich keine fundamentalen Unterschiede oder gar bewusste Fälschungen erkennen. Günther Schwarz bezweifelt, dass die Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“ aus dem Vaterunser so von Jesus formuliert worden sei, mit der Begründung, dass Gott niemals so gemein sei, dass er Menschen in Versuchung führen würde. Doch nicht zuletzt aus der Versuchungsgeschichte Jesu wissen wir, dass Gott dem Satan zugelassen hat, Jesus in Versuchung zu führen. Unter diesem Aspekt hat die Bitte im Vaterunser für mich doch ihren Sinn.

 

Franz Alt stellt unter Berufung auf Günther Schwarz auch die Dreieinigkeit infrage. Da Jesus der Sohn Gottes und wir alle Gottes Kinder, Söhne oder Töchter Gottes sind, bezeichnet er Jesus nur als einen besonders talentierten, besonders begabten Menschen mit einer besonderen Beziehung zu Gott, und damit als den „Menschensohn“, den bedeutendsten Menschen, den die Menschheitsgeschichte je hervorgebracht hat.

 

Geradezu fragwürdig erscheint mir, dass Franz Alt bei seiner Kritik an der Kirche nicht differenziert zwischen katholischer und protestantischer Kirche, und schon gar nicht zwischen den in beiden Kirchen vorherrschenden unterschiedlichen Strömungen von konservativ, pietistisch, orthodox bis zu liberal und kritisch hinterfragend. Und er geht auch nicht auf Theologen wie Sören Kiergegaard, Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer oder andere ein. Lediglich der katholische Theologe Hans Küng wird einmal zitiert. – Reformatoren wie Martin Luther, Huldreych Zwingli, Jan Hus oder Johan Calvin und ihre Äußerungen sowie die Reformation finden in seinen Büchern keine Erwähnung. Auch Personen wie Friedrich von Bodelschwingh, Johann Hinrich Wichern oder Adolph Kolping, welche die Nachfolge Jesu immer auch als Dienst an hilfebedürftigen Menschen verstanden haben, werden nicht erwähnt. – Manche Kritik von Franz Alt an der Kirche liest sich so, als kritisiere er die mittelalterliche, vorreformatorische Kirche, welche einen zürnenden Gott verkündet, dem wir bedingungslos zu gehorchen haben, und nicht den liebenden Gott des Neuen Testaments, von dem wir Hilfe und Trost erwarten dürfen.

  

Mir ist Franz Alt in seinen Ausführungen zu sektiererisch. Dennoch ist es von Nutzen, sich einmal damit zu befassen, dass man Jesus und seine Worte auch anders verstehen und deuten kann, zumal er versucht darzustellen, was Jesus, der vor 2000 Jahren unter den Menschen lebte, für die Menschen im 21. Jahrhundert zu sagen hat und bedeutet. Geradezu erstaunt hat mich, dass die Aufforderung Jesu „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ bei Franz Alt nicht zu den einhundert wichtigsten Worten Jesu zählt. – Aber das Jesus-Wort „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, von Jesus gesprochen, als man eine zum Tode durch Steinigung verurteilte Ehebrecherin zu ihm brachte, und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter fanden auch bei Günther Schwarzens Rückübersetzung ins Aramäische, und damit auch bei Franz Alt unverändert Aufnahme.

  

Mich haben die beiden Bücher von Franz Alt sehr zum Nachdenken angeregt, aber keinesfalls zum Umdenken in meinem Jesusbild.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Stefan Orth, Volker Resing (Hrsg):

  

AfD, Pegida und Co.

 Angriff auf die Religion?
 

Herder Verlag, Freiburg, Januar 2017

als Buch: 16,99 €; als eBook 11,99 €

 

Der eine Herausgeber Stefan Orth, geboren 1979, ist Journalist bei Spiegel Online, der zweite Herausgeber, Volker Resing, geboren 1970, ist Chefredakteur der „Herder Korrespondenz“. Sie lassen in ihrem Buch hochkarätige Autoren zu Worte kommen, wie z.B. Hans Joachim Meyer, Werner J. Patzelt, Andreas Püttmann, Thomas Sternberg, Kardinal Rainer Maria Woelki, Paul Michael Zulehner.

  

Auch in Deutschland sind Rechtspopulisten ebenso wie in vielen Ländern Europas inzwischen massiv auf dem Vormarsch. Sie bedienen sich Ressentiments und vor allem der Ängste der Menschen, um gegen Randgruppen und auch gegen demokratische Strukturen zu hetzen. Dabei verwenden sie auch religiöse Bezüge, die sie pervertieren. Die Autoren beleuchten Hintergründe und Entstehungsgeschichte und beantworten Fragen wie z.B.: Was müssen die Kirchen und religiösen Gemeinschaften tun, um sich nicht zu distanzieren, sondern klar Stellung zu nehmen? Und wie kann man gemeinsam den Vormarsch stoppen? Sie finden auf diese Fragen deutliche Antworten und bieten konstruktive Vorschläge; entschieden, mutig und praxisnah. Einhellig fordern sie eine Distanzierung.

 

AfD, Pegida und andere befassen sich auch mit Religion. Einerseits bezieht man sich auf das »christliche Abendland« und fürchtet sich vor »dem Islam«, den man undifferenziert wahrnimmt. Andererseits stören sich die Wortführer am Engagement der Kirchen, welche sich nach ihrer Auffassung aus der Politik herauszuhalten haben, für die Flüchtlinge im Land, die in größerer Zahl gekommen sind. In vielfältiger Weise geht es da um Religions- und Kirchenkritik. Angriff auf die Religion also? Und was ist ihm entgegenzusetzen?"

 

Dem Leser wird verdeutlicht, weshalb sich in der Arbeitsgemeinschaft „Christen in der AfD“ vor allem rechtskonservative Katholiken und Evangelikale tummeln, welche der Forderung nach dem Schutz des ungeborenen Lebens einen höheren Stellenwert einräumen, als dem Gebot der Nächstenliebe und dabei das Un- bzw. mitunter sogar Antichristliche von AfD, Pegida und Co. übersehen.

Klaus-Rainer Martin

  

 

Josef Braml

  

Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit

-          Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa

 

 Bastei-Verlag, Köln; Dezember 2016

 als Buch: 22,00 €, als eBook: 16,99 €

 

 Josef Braml, geb. 1968 in Passau. USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die amerikanischen und transatlantische Beziehungen. Dabei bezieht er die Sicherheits-, Energie- und Handelspolitik der USA in seine Analysen ein, ebenso die wirtschaftlichen und innenpolitischen Rahmenbedingungen amerikanischer Außenpolitik, zu denen auch die Religion gehört und belegt dies mit 432 Quellenangaben. Er ist Autor mehrerer, zum Teil preisgekrönter Bücher (u. a. Amerika, Gott und die Welt und Der amerikanische Patient) sowie zahlreicher Fachartikel.

  

Die Welt steht unter Schock. Die Amerikaner haben gewählt und sich für den Quereinsteiger Donald Trump entschieden. Das hat Gründe. Viele Amerikaner fühlen sich abgehängt und von der Politik vernachlässigt. Trump hat es verstanden, nicht nur die soziale Misere vieler seiner Wähler, sondern auch grundlegende Defizite der amerikanischen Wirtschaft und Politik für seine Zwecke auszunutzen. Europa, auch Deutschland, hat ähnliche Probleme, wenn auch (noch) nicht in diesem Ausmaß. Amerikas „Vorbilddemokratie“, welche auf Gewaltenteilung in Gesetzgebung (Legislative), ausführende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) fußt, ist längst nicht mehr Vorbild für Länder, welche die sie beherrschende Diktatur abgeschüttelt haben. Nicht erst seit Trump, sondern schon unter George W. Bush wurde unter dem Eindruck der Terrorbekämpfung nach dem 11. September 2001 die Machtstellung des Präsidenten auf Kosten der Befugnisse des Repräsentantenhauses ausgebaut. Und Barak Obama hat den Machtzuwachs des Präsidenten nicht zurückgedreht, sondern akzeptiert, so Josef Braml. Er kommt daher zu dem Schluss: „Die amerikanische Demokratie läuft Gefahr, ihren liberalen Charakter im Zuge des Krieges gegen den Terror preiszugeben“.

  

Der Autor folgert daraus, dass mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA keine neue Ära angebrochen ist, sondern die bisherige Entwicklung seit Bush nur in pervertierter Form fortgesetzt wird.

  

In Amerika spielen die Parteien der Republikaner und der Demokraten eine geringere Rolle als z.B. die Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Der Einfluss der Sponsoren (Geldgeber) und der sogen. Thinktanks (Denkfabriken für politische Konzepte) ist größer. Es gibt kein funktionierendes System der Partei- bzw. Fraktionsdisziplin. Donald Trump aber war unabhängig vom Einfluss irgendwelcher Sponsoren und zeigte sich unabhängig vom Einfluss der Thinktanks. Er konnte seinen Wahlkampf selbst finanzieren und damit seine Ideen und politischen Vorstellungen ohne Rücksicht auf irgendjemand und ohne Rücksicht auf eine Fraktionsdisziplin verbalisieren. Zudem hat er mit seinen Schimpfkanonaden im Wahlkampf mehr Medienaufmerksamkeit erreicht, als seine Gegner sowohl bei den Republikanern wie auch bei den Demokraten mit ihren aufwändigen Werbekampagnen. Sein Wahlkampf kostete nur 300 Millionen Dollar, Hillary Clintons Wahlkampf dagegen 700 Millionen Dollar. Und gerade damit spricht er Bevölkerungsgruppen an, die sich von Wohlstand, Wirtschaftswachstum und politischer Einflussnahme ausgeschlossen fühlen.

 

Josef Braml erklärt als Kenner Amerikas alle Politikfelder wie Verteidigungspolitik, Außenpolitik, Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik, Handelspolitik, Energiepolitik, Umweltpolitik, Sozialpolitik, Informations-und Medienpolitik detailliert und überprüft, was Donald Trump davon versteht, und welche Möglichkeiten er als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat, darauf in seinem Sinne Einfluss zu nehmen, und wo er auf bedeutende und einflussreiche Gruppierungen Rücksicht nehmen muss. Er skizziert Trump als politischen Neuling, der sich zudem bei seinen Entscheidungen noch ungeschickt verhält und kommt zu dem Schluss: „Er wird als Präsident aber nicht die überzogenen Erwartungen erfüllen können, die er mit seinen Wahlkampfversprechen weckte. Es ist zu befürchten, dass die von Trumps Wahlkampf weiter angeheizte Wut die gesellschaftliche Spaltung noch mehr vertieft und die politischen Fronten – auch innerhalb des Sammelsuriums republikanischer Parteigänger – verhärtet hat.“

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

Lamya Kaddor

  

Die Zerreißprobe

-       Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht

  

2016, Rowohlt Verlag, Berlin, ISBN 978-3-87134-836-5

als Buch: 16,99 €, als eBook: 14,99 €

  

Die Autorin ist nicht nur formale Besitzerin der deutschen Staatsbürgerschaft, sondern bewusst Deutsche. Sie selbst bezeichnet sich als „Verfassungspatriotin mit syrischen Wurzeln“, denn sie wurde 1978 als Tochter syrischer Einwanderer in Ahlen in Westfalen geboren. Sie studierte u.a. Islamwissenschaft und Erziehungswissenschaft, ist Gründungsmitglied des „Liberal-Islamischen Bundes e.V.“ und unterrichtete islamischen Religionsunterricht in Dinslaken. Frau Kaddor musste sich aufgrund massiver Drohungen aus Sicherheitsgründen vom Schuldienst beurlauben lassen. Diese Beurlaubung gilt vorerst bis zu den Sommerferien 2017.

  

Das Anliegen des Buches ist, uns allen klar zu machen, dass Integration von Menschen aus anderen Ländern in die deutsche Gesellschaft keine einseitige Erbringung von Leistungen der nach Deutschland gekommenen Ausländer bedeutet. Das wäre im besten Fall Anpassung. Es genügt nicht, nur für Möglichkeiten zu sorgen, dass diese Menschen die deutsche Sprache erlernen können, Wohnung und Arbeit bekommen. Integration bedeutet eine Auseinandersetzung mit dem Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzieht. Das bedeutet nicht nur eine eindeutige Haltung gegenüber dem Rechtsradikalismus, der seine Fremden- und Islamfeindlichkeit, sein völkisches Gedankengut offen zur Schau stellt. Die Gesellschaft muss sich auch mit den „Deutschomanen“ auseinandersetzen, die zwar Demokratie, Freiheit und das Grundgesetz nicht in Abrede stellen, aber in Einzelfragen Abgrenzungen vornehmen. Die Gesellschaft insgesamt muss lernen und erkennen, dass der Zuzug von Menschen mit Wurzeln in anderen Teilen dieser Welt eine Bereicherung bedeuten, nicht nur in der deutschen Fußballnationalmannschaft, sondern überall in der Gesellschaft. Sie muss lernen, dass damit auch ungewohnte Namen zum Gesellschaftsbild gehören, so wie im 17. Jahrhundert die aus Frankreich gekommenen Hugenotten Namen wie de Maiziere und im 19. Jahrhundert aus Polen gekommene Bergleute Namen wie Schimansky mitbrachten.

  

Das Buch leistet nicht nur einen Beitrag dazu, zu verhindern, dass rechtsradikales Gedankengut vom Rande in die Mitte der Gesellschaft gelangen kann, es setzt sich nicht nur mit dem Gedankengut von AfD und Pegida auseinander, sondern erinnert überzeugend daran, dass „die Würde des Menschen ist unantastbar“ für alle Menschen gilt, die nach Deutschland kommen, und dass die notwendige und berechtigte Terrorbekämpfung nicht dazu führen darf, eine Religion, den Islam, in seiner Ganzheit infrage zu stellen. Auch der Islam ist Bestandteil unserer heutigen Gesellschaft. Dazu gehört auch, zu akzeptieren, dass innerhalb des Islam ebenso wie innerhalb des Christentums unterschiedliche Gruppierungen von konservativ bis liberal um den richtigen Weg ringen. Es gilt nur, darauf zu achten, dass das im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit geschieht.

  

Das Buch macht Mut, sich dieser Zerreißprobe zu stellen, in welcher sich unsere Gesellschaft befindet, und nicht die Auseinandersetzung denen zu überlassen, die in ihrem Denken und Handeln unflexibel und intolerant sind.

Klaus-Rainer Martin

 

Arno Gruen

  

Wider den Gehorsam

 

8. Aufl. 2015, als Buch 12,00 €, als eBook 9,99 €

  

Der Autor wurde 1928 in Berlin geboren. 1936 emigrierte seine Familie in die USA. Dort studierte er Psychologie und war als Psychotherapeut tätig. 1958 siedelte er nach Zürich über, wo er ebenfalls als selbständiger Psychotherapeut tätig war. 2015 verstarb er in Zürich.

 

Arno Gruen führt viel Elend des einzelnen Menschen wie ganzer Völker darauf zurück, dass die meisten Menschen dieser Erde zu Gehorsam statt zu Liebe und Mitmenschlichkeit erzogen werden und plädiert dafür, unser Erziehungssystem darauf „abzuklopfen“, wo Erziehung zu Gehorsam zugleich Erziehung gegen Liebe und Mitmenschlichkeit bedeutet. Nur weil die Mehrheit der Menschen zu Gehorsam Menschen den Willen des Diktators ausführen: „Sie leiden manchmal unter ihm, aber diese Verlorenen, von Gott und den Menschen Verlassenen lassen sich das Unrecht gefallen und geben es nicht dem zurück, der es ihnen antut, nein sie geben es an die weiter, die darunter leiden wie sie und sich nicht helfen können.“

 

Auch unser neoliberales Wirtschaftssystem funktioniert nach Gruen nur, weil so viele Menschen zu Gehorsam und Unmenschlichkeit erzogen wurden: „Die Forderung der Sparlobby nach einer Haushaltspolitik, die auf Schuldenabbau und nicht auf Beschäftigung zielt, und einer Währungspolitik, die geringste Hinweise auf Inflation bekämpft, … dienen den Interessen der Gläubiger. … Geldverleiher wollen natürlich, dass diew Rückzahlung von Schulden die Prioritätenliste des Staates anführt. Und sie widersetzen sich allem, was die Einkommen der Banker schmälert.“

  

Doch Gruen ist hoffnungsvoll. Er sieht die Zahl der Menschen, die in Westeuropa nicht mehr in blindem Gehorsam alles tun, was die mächtigen dieser Erde von ihnen erwarten, größer werden. Er beziffert ihre Zahl bereits auf ein Drittel aller Menschen.

  

Insgesamt ist es ein schwer zu lesendes Buch. Doch wer sich darauf einlässt, gewinnt neue Erkenntnisse und eine Erweiterung seiner Sichtweise.

Klaus-Rainer Martin

 

 

Oliver Nachtwey

  

Die Abstiegsgesellschaft

 -Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne

  

2016, Edition Suhrkamp; 264 Seiten;

als Buch =18,00 €, als eBook = 17,99 €.

  

Es ist das Buch für eine Zeit, in der wir die soziale Frage wiederentdecken. Nachdem die AfD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern knapp über 20 % geholt hatte, hyperventilierten viele meiner Bekannten auf Twitter und Facebook: „Dafür habe ich keine Worte", schrieb einer, ein anderer postete einfach ein Bild von einem kotzenden Cartooncharakter. Mich störte etwas an dieser Art der Aufregung, ich konnte es aber nicht genau in Worte kleiden. Vielleicht ärgerte mich, dass sich der Aufschrei vor allem der eigenen, richtigen Position versicherte - als ginge es bloß um Befindlichkeiten, nicht um den politischen Impuls. Ein Suhrkamp-Band lieferte den großen theoretischen Überbau für mein Unbehagen im Kleinen. In seiner Analyse über Die Abstiegsgesellschaft zeichnet der Frankfurter Ökonom Oliver Nachtwey präzise und gut lesbar nach, was es für den Einzelnen bedeutet, dass in Deutschland die soziale Moderne abgeschafft wurde - nur einige Punkte seiner pessimistischen, aber einleuchtenden Diagnose: Weil der Staat Sicherheiten für Arbeitnehmer - etwa durch die Schwächung der Gewerkschaften, Zunahme von befristeten Verträgen und Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose durch die Hartz-Reformen - immer weiter abbaut, steigt die Angst des Einzelnen vorm sozialen Abstieg. Der Fortschritt trägt so auch einen Rückschritt in sich: Der Einzelne soll sich nicht nur ökonomisch selbst versorgen, etwa durch private Altersvorsorge. Er wird auch blind für Fehler im System, weil er für sein Scheitern, etwa sein Leiden unter befristeten Verträgen, immer nur sich selbst verantwortlich machen kann, In seiner Verletzlichkeit bekommt das Ich in diesen neoliberalen Verhältnissen einen hohen Stellenwert. Das Leben im Falschen sucht sich bei Nachtwey natürlich trotzdem seinen Ausdruck: Manche leben ihre Verwundung als autoritäres Aufbegehren bei der AfD aus. Und weil eine Linke, die sich selbst an die Marktinteressen verkauft hat, keine Alternative anbietet, fühlen sich die anderen verloren. Erstarren also, um auf das ganz Kleine zurückzukommen, zum Beispiel im selbstbezogenen Gefühlspost auf Facebook. Fangen gewissermaßen auch hier beim Ich an, weil sie gar keine Antwort mehr auf die Rechte formulieren können, die eine politische Erzählung beinhaltet. Nachtwey macht das Erstarken autoritärer Bewegungen in Gesellschaften plausibel, die einst stark von der Sozialdemokratie geprägt waren, und erklärt den Orientierungslosen ihre Orientierungslosigkeit. Handlungsanweisungen, wie wir aus dem ganzen, Schlamassel wieder rauskommen, liefert er zwar nicht. Trotzdem hat kritische Theorie selten mehr eingeleuchtet.

 

aus: Literatur Spiegel, Eva Thöne

 

Abbas Khider

 

Ohrfeige

 

Carl Hauser Verlag München, 2016

ISBN 978-3-446-25190-8,

Buch: 10,00 €; eBook: 3,99 €

 

Abbas Khider, 1973 in Bagdad geboren, im Irak Saddam Husseins inhaftiert, lebt seit 2000 in Deutschland. In seinem Roman beschreibt er einen jungen Flüchtling aus dem Irak, der nach Frankreich fliehen wollte, aber auf abenteuerlichen Wegen in Deutschland, mitten in einer bayerischen Provinz landet. Nun betritt er vor seiner Abschiebung zum letzten Mal die Ausländerbehörde, um seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen, um ihr zu schildern, was er beim Kampf durch Formulare und Asylunterkünfte alles erlebt hat.

 

Der Zeitpunkt seiner Flucht liegt vor dem schrecklichen Attentat auf das World Trade Center am 11. September 2001. Dennoch wirkt die Beschreibung über das Leben in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften, die Erlebnisse in deutschen Amtsstuben, das ungewisse Warten auf den Tag, an welchem endlich der Asylantrag gestellt werden darf, wieder das Warten auf den Tag der Anhörung vor dem „Entscheider“ und dann das erneute Warten auf die Entscheidung, aber auch die Suche nach einer Wohnmöglichkeit außerhalb des Flüchtlingslagers und die Suche nach einer Arbeitsmöglichkeit so, als beschriebe der Autor die Situation eines Flüchtlings aus dem Jahre 2015.

 

Der Leser, die Leserin wird auf eindringliche Weise mit hineingezogen in das Leben eines Menschen, der aus seinem bisherigen Leben herausgerissen wurde und nun Gesetzmäßigkeiten und einem Rhythmus unterliegt, welche er nicht beeinflussen kann, der sein Leben nicht mehr selbst gestalten kann. Selbst der Wunsch, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit statt durch staatliche Unterstützung zu sichern, ist nicht möglich.

 

Es ist zu wünschen, dass das Buch dafür Anstöße gibt, das Leben der Flüchtlinge und die Asylverfahren wenigstens ein klein wenig zu verbessern und das Verständnis für die Andersartigkeit der Menschen aus anderen Regionen und Kulturen dieser Erde zu vergrößern.

 

Schon der Schreibstil Abbas Khiders ist anders, als wir es gewohnt sind, und macht deutlich, dass er Situationen beschreibt, die er selbst auf seiner Flucht so oder ähnlich erlebt und erlitten hat. So ist das Buch ein Gewinn für alle, die sich darum bemühen, das Leben der Flüchtlinge besser zu verstehen.

Klaus-Rainer Martin

Steven Lee Myers

 

Putin – der neue Zar

 

Seine Politik – sein Russland

 

als Buch: 28,95 € (ISBN 978-3-2800-5602-8)

als eBook: 22,99 € (ISBN 978-3-2800-3921-2)

 

Der Autor arbeitet seit 1990 als Journalist bei der „New York Times“ und seit 1992 für diese Zeitung als Russlandkorrespondent. Er gilt weltweit als einer der besten Russlandkenner. Myers zeichnet das Leben Wladimir Putins von seiner Kindheit in Leningrad als Kind armer russischer Eltern, welche die Belagerung Leningrades im zweiten Weltkrieg überlebt haben, bis zu seiner Präsidentschaft in einer über 700 Seiten umfassenden Biografie detailliert nach und belegt seine Aussagen mit 999 Quellenangaben.

Nach einem Jurastudium 1974/75 an der Universität Leningrad und einer Tätigkeit als Jurist heiratete Wladimir Putin 1983 die Deutschlehrerin Ljudmila, mit der er zwei Töchter hat (Maria, 1985 in Leningrad geboren und Jekatarina, 1986 in Dresden geboren). Nach dem Besuch der KGB-Schule (KGB = sowjetischer Geheimdienst) 1984/85 wird er 1985 als KGB-Offizier nach Dresden abgeordnet. Dort, und nicht etwa in Ost-Berlin, der Hauptstadt der DDR, war er bis zur Wende 1990 unbedeutender KGB-Offizier. Danach kehrte er nach Leningrad zurück. Die Stadt erhielt nach der Wende ihren ursprünglichen Namen „Sankt Petersburg“ zurück. Unter dem Bürgermeister Sobtschak stieg er 1990 zum stellvertretenden Bürgermeister auf und wurde 1996 durch die Vermittlung Sobtschaks vom russischen Präsidenten Jelzin zum stellvertretenden Leiter des Präsidialbüros in Moskau und zwei Jahre später zum Direktor des Förderalen Sicherheitsdienstes, dem Nachfolger des sowjetischen KGB, berufen.

Am 26. März 2000 wurde Wladimir Putin als Nachfolger von Boris Jelzin auf dessen Vorschlag zum Präsidenten Russlands gewählt. Später bezeichnete Jelzin diese Empfehlung als den größten Fehler seiner Amtszeit. Dieses Amt hatte Putin bis 2008 inne und musste dieses Amt nach zwei Amtsperioden abgeben. Der bisherige Ministerpräsident Medwedjew wurde Präsident und Putin Ministerpräsident. Aber nach vier Jahren, 2012 tauschten die beiden wieder die Ämter.

Steven Lee Myers beschreibt sehr genau Putins Moskauer politische Laufbahn seit 1996. Er wirft dabei viele Fragen auf; z.B. ob Wladimir Putin ein Aggressor oder nur ein vehementer Verteidiger nationaler Interessen ist, ob er ein überzeugter Antiwestler ist oder nur sein Land wieder zu einer Weltmacht bringen will. Er beschreibt das „System Putin“ und den Menschen Putin, seine enormen Ambitionen und seine geringen Skrupel, wenn es darum geht, seine Interessen durchzusetzen. Und er beschreibt das russische Volk, das nach über sieben Jahrzehnten sowjetischer Diktatur mit einer Demokratie nach westlichem Vorbild nichts Konstruktives anzufangen weiß.

Das umfangreiche Buch liest sich wie ein Krimi und ist jedem zu empfehlen, der mehr über Putins Politik erfahren und verstehen möchte. Zudem belegen die umfangreichen Quellenangaben, dass der Autor geradezu akribisch Einzelheiten zu jeder Situation zusammengetragen hat.

 

Klaus-Rainer Martin

Mo Asumang

 

 

 

Mo und die Arier

 

-Allein unter Rassisten und Neonazis

 

als Buch:   14,99 €

als eBook: 12,99 €

 

Mo Asumang, 1963 in Kassel als Kind einer Deutschen und eines Ghanaers geboren, war 1996 die erste farbige TV-Moderatorin im deutschen Fernsehen. Sie wagte nach einer Morddrohung durch eine Nazi-Band sehr spektakuläre Experimente. Als Afrodeutsche suchte sie bei einer Demonstration unter 3.000 Neonazis auf dem Berliner Alexanderplatz die Konfrontation mit rechten Hasspredigern, sowie bei einem rechten Staranwalt, unter „braunen“ Esoterikern oder auf einer Neonazi-Dating-Plattform und sogar bei Anhängern des Ku-Klux-Klan in den USA. Immer geht es ihr darum, jede Form von Rassismus zu entlarven. Deshalb mischte sie sich auch in Dresden unter die Demonstranten von Pegida und geht der Frage nach, wieso einst die Nationalsozialisten wie auch die heutigen Neonazis das germanische Volk als „Arier“ bezeichnen. Arier sind ein iranisches Bergvolk. Sie suchte dieses Bergvolk auf und findet in diesem Volksstamm keine blauäugigen und blonden Menschen – und schon gar nicht ein Volk, dass sich als Herrenrasse sieht. Man ist entsetzt darüber, dass einst die Nazis und heute die Neonazis den Namen ihres Volksstammes für ihre Zwecke missbrauchen. – Doch auf die Frage, weshalb sich die Nazis ausgerechnet als Arier bezeichnen, findet auch sie keine schlüssige Antwort.

 

Das Buch ist jedem zu empfehlen, der sich mit dem Thema Fremdenhass und Rassismus auseinandersetzt und mehr darüber erfahren möchte, was Deutsche fühlen und denken, die auch Wurzeln in anderen Regionen dieser Erde haben.

 

Klaus-Rainer Martin

 

Katrin Hartmann

 

Aus kontrolliertem Raubbau

Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren

 

Karl Blessing Verlag, München, 2015

ISBN 978-3896675323

als Buch 18,99 €, als eBook 14,95

 

Die Autorin Kathrin Hartmann, geboren 1972 in Ulm, lebt als freie Journalistin in München. Sie hat sich in asiatische Plantagen und Fabriken hineingeschlichen und recherchiert, wie es den Menschen ergeht, die Shrimps und Palmöl für den europäischen Markt „nachhaltig“ erwirtschaften, oft sogar von Umweltorganisationen wie WWF oder Greenpeace davor lobend erwähnt. Der Mindestlohn in der Garnelenzucht von Bangladesch beträgt 26 Euro im Monat. Die Arbeiter tragen trotz hoher Giftbelastungen keine Schutzkleidung, und wenn sie Überstunden machen, werden sie häufig übers Ohr gehauen. Viele Bauern haben ihre Lebensgrundlage verloren: Das Land gehört heute Großkonzernen - und wo nicht, ist es durch Pestizide und Salz so stark verseucht, dass sie keine Lebensmittel mehr für sich selbst anbauen können.

 

'Das alles soll uns Konsumenten natürlich nicht den Appetit verderben. Deshalb haben Firmen und Politiker in den vergangenen Jahren erreicht, dass der CO2-Ausstoß in den Industrieländern durch den Ankauf von Zertifikaten aus den Entwicklungsländern hoch bleibt und wohlklingende Label, runde Tische und Weltrettungspreise entwickelt, die angeblich für eine nachhaltige Produktion sorgen. Auch in diesen Kreisen hat sich die Autorin bewegt. Überzeugend kontert sie das Argument, dass wir den Menschen in anderen Weltregionen die Segnungen unseres Wirtschaftssystems nicht vorenthalten dürfen:

 

„Mit unserem westlichen Wachstums- und Wohlstandsmodell schreiben wir ihnen exakt vor, wie sie zu leben haben, weil sie nämlich die Folgen unseres Handelns ausbaden müssen."

 

Natürlich lässt sich ein solches Buch nicht so lesen wie ein Kriminalroman. Vom Leser, der sich dieser Problematik nähern möchte, wird einiges abverlangt. Doch diese Mühe lohnt sich. Der Blick wird kritischer, auch gegenüber namhaften Umweltverbänden.

Klaus-Rainer Martin

 

Gerhard Schweizer

 

Syrien verstehen

Geschichte, Gesellschaft und Religion

 

Klett-Cotta, Stuttgart, 2015

ISBN als Buch 978-3-608-94908-7, als eBook 978-3-608-10113-3

als Buch 9,95 €, als eBook 7,99 €

 

Der Autor Gerhard Schweizer, geboren 1940 in Stuttgart, ist einer der führenden Experten für die Analyse der Konflikte zwischen Abendland und Orient. In dem vorliegenden Buch stellt er dar, wie sich seit dem Begründer des Islam, Mohamed im frühen 7. Jahrhundert, der Islam in der arabischen Welt sehr unterschiedlich und gegensätzlich entwickelt hat. Er stellt dar, dass sich der Islam nicht nur in Sunniten, Schiiten, Aleviten, Yesiden, Drusen und andere Strömungen verzweigt hat, sondern dass sich innerhalb der einzelnen Strömungen auch noch unterschiedliche Richtungen von orthodox bis liberal, modern und aufgeschlossen gegenüber anderen Strömungen und anderen Religionen wie Judentum und Christentum entwickelt haben. Und dass diesen unterschiedlichen religiösen Strömungen von der arabischen Bevölkerung eine weitaus höhere Bedeutung zugemessen wird, als den erst in den letzten einhundert Jahren vor allem von den Kolonialmächten Frankreich und England aufgezwungene Nationalstaatlichkeit.

 

Doch anders als in Westeuropa, wo die Religionskriege, z.B. der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 dazu führten, dass sich die europäischen Staaten mit säkularen und von den Religionen bzw. Konfessionen unabhängige Regierungen bildeten, führen die Kriege bzw. Bürgerkriege dazu, dass die sich in den letzten hundert Jahren gebildeten säkularen Strukturen durch unterschiedliche religiöse zumeist orthodoxe Strömungen wieder abgelöst werden. Die Folge davon ist, dass die jeweils verfolgten Minderheiten aus ihrem Land fliehen müssen und oftmals in einem anderen arabischen Land keine Zuflucht finden. Dann bleibt ihnen nur, nach Europa zu fliehen. Deshalb ist es richtig, so der Autor, nicht bloß von „Flüchtlingen aus Syrien“, sondern von „sunnitischen, schiititschen, alevitischen, christlichen usw. Flüchtlingen“ aus Syrien auszugehen und ihnen zu vermitteln, dass die Religionszugehörigkeit nicht das Hauptkriterium für die Asylbewilligung ist, und dass in Westeuropa jede Religion, welche die Werte der Demokratie anerkennt, den Schutz des Staates genießt. Nur so kann Integration gelingen.

 

Damit leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zur Integration und weckt Verständnis dafür, den mühsamen Weg dorthin zu begreifen.

 Klaus-Rainer Martin

 

Bernd Weiß

 

Placebo-Politik

Warum Politiker alles tun, nur nicht das Nötige

 

Wilhelm Heyne Verlag, München, 2015

ISBN 978-3-641-16195-8

als Buch 16,99 €, als eBook 13,99 €

 

Der Autor Bernd Weiß, geboren 1968, promovierter Jurist, ist seit über 30 Jahren Mitglied der CSU. Er ist in seiner Partei die Karriereleiter vom Funktionär in der CSU-Jugendorganisation über den Vorsitzenden eines Landkreises bis zum bayerischen Landtagsabgeordneten (2003-2013) emporgestiegen und wurde 2008 Staatsekretär beim bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Bereits nach zwei Jahren trat er nach einem Streit mit Horst Seehofer von diesem Amt wieder zurück.

 

In seinem Buch beschreibt er sehr selbstkritisch, wie er in all den Jahren des Aufstiegs die Linien seiner Partei vertreten hat, unabhängig davon, ob sie seiner eigenen Überzeugung entsprach, einer konservativen Linie, die man nicht teilen muss, dass er stets „Parteisoldat“ war und auch als Staatssekretär der Parteilinie zu folgen hatte. Sein Tun und Handeln war vorgezeichnet und der Gestaltungsspielraum für eigene Entscheidungen sehr eingeschränkt. Dabei waren die meisten Entscheidungen nur „Placebo-Politik“, die sich nicht an den Anliegen der Bürger orientierten, sondern an der Parteilinie.

 

Bernd Weiß geht in seinem Buch mit sich und mit seiner Partei sehr kritisch um. Das meiste lässt sich auch auf die anderen Parteien und ihre Vertreter in den Landesregierungen und in der Bundesregierung übertragen:

 

„Wenn man aber nur noch auf die nächste Wahl und die Umfragen schielt, wenn man es nicht mehr schafft, die Bevölkerung von Dingen zu überzeugen, die vielleicht unangenehm, aber vernünftig sind, dann scheitert die Demokratie an sich selber. Und wenn man es gar nicht erst versucht, weil Wählerstimmen anders leichter zu bekommen sind, dann scheitert die Demokratie um so schneller – an ihren gewählten Politikern und an der Realität, die diese Politiker irgendwann einholt.“

 

Bernd Weiß legt mit seinem Buch ein „Bekenntnis zu einer Politik der Überzeugungen, der Leidenschaft und des Streites um die Sache“ ab. Auch wenn man seine politischen Auffassungen nicht teilen mag, ist es lohnend, einmal hinter die Kulissen eines Politikbetriebes zu schauen, der in jeder Partei und in jeder Landesregierung ähnlich sein dürfte.

Klaus-Rainer Martin

 

 

 

Sara Wagenknecht:

 

 

Reichtum ohne Gier

- Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten

 

Campus Verlag, Frankfurt / New York, Mai 2016

ISBN 978-3-593-5051-69

Als Buch 19,95 €, als eBook 16,99 €

 

Sara Wagenknecht ist promovierte Volkswirtin, Publizistin und Politikerin, seit Oktober 2015 Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Von 2010 bis 2014 war sie stellvertretende Parteivorsitzende und von 2004 - 2009 Abgeordnete im Europäischen Parlament.

 

"Wie kann es sein, das vom Steuerzahler finanzierte technologische Entwicklungen private Unternehmer reich machen, selbst wenn diese gegen das Gemeinwohl arbeiten" schreibt sie. Eine Forderung geht wie ein Faden durch das Buch: Eigentum darf nur durch eigene Arbeit entstehen. Sara Wagenknecht hat sehr detailliert und umfassend beschrieben, wie Kapitalismus definiert wird und wie er über die Jahrhunderte entstanden ist. Dabei bezieht sie sich auf viele Aussagen von Fachleuten jeder Richtung. Sie beschreibt, sehr verständlich, die Hintergründe, wie es dazu kommt, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinanderklafft. Mit glasklarer Analyse und konkreten Vorschlägen eröffnet sie die politische Diskussion über neue Eigentumsformen und zeigt, wie eine innovative und gerechte Wirtschaft aussehen kann. Sie stellt vier Unternehmensformen vor, z. B. die Mitarbeitergesellschaft, unverkäuflich und nicht auszubeuten. Keiner hat private Anteile und keine externen Eigentümer. Ein Unternehmen in dieser Rechtsform gehört also sich selbst und in diesem Sinne gehört es der Gesamtheit seiner Belegschaft. Natürlich wäre es nicht Sara Wagenknecht, würde sie sich nicht über unser Finanzwesen auslassen, die riesigen Konzerne und die Erbengesellschaft auseinandernehmen. Ich bin nicht immer ihrer Meinung, aber wie sie den "Ist­Bestand" unserer Gesellschaft beschreibt und dass es so nicht weitergehen kann, ist sehr einleuchtend, sehr gut recherchiert von ihr beschrieben und gut zu lesen.

 Roswitha Horstmann

 

 

 

Cigdem Akyl


Erdogan – die Biographie


Herder Freiburg, April 2016
als Buch:   ISBN 978-3-451-32886-2,   24,99 €
als eBook: ISBN 978-3-451-80932-3,   19,99 €

Recep Tayyip Erdogan, geboren am 21. Februar 1954 in einem Arbeiterviertel Istanbuls, ist derzeit eine der schillerndsten Figuren auf der internationalen politischen Bühne. Er führte als Ministerpräsident des Landes ab März 2003 die Türkei in eine nie dagewesene Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Lockerung vieler festgefahrener Reglementierungen. Unter seiner Regierung bewegte sich die Türkei immer weiter in Richtung Europa und die Partei AKP, deren Vorsitzender er bis 2014 war, verzeichnete satte Mehrheiten. Seit August 2014 ist er Präsident der Türkei und hat seitdem die Kompetenzen des Präsidenten stark ausgeweitet. Er führt nun einen rücksichtslosen Kampf gegen politische Gegner und kritische Medien und betreibt eine Re-Islamisierung der Türkei und eine Abkehr von Atatürk. dem Begründer der modernen Republik Türkei.

Die Autorin Cigdem Akyol wurde 1978 geboren, wuchs in einer alevitischen Familie in Herne auf und studierte in Köln Europakunde und Völkerrecht. Heute arbeitet sie für mehrere deutsche Zeitungen als Journalistin in Istanbul. Sie zeichnet in ihrer Biografie nicht nur den Weg Erdogans von einer Kindheit in ärmlichen Verhältnissen bis ins höchste politische Amt der Türkei nach, sondern vermittelt dem Leser auch Einblicke in die Beweggründe für Erdogans politisches Handeln und seine Entscheidungen und erläutert die jüngere, sehr bewegte Geschichte der Türkei, welche sich immer weiter von rechtsstaatlichen Grundwerten entfernt. Dabei wird dem Leser klar, auf welch tönernen Füßen Vereinbarungen mit der Türkei unter der Präsidentschaft Erdogans stehen, und dass die ohnehin fragwürdige Flüchtlingspolitik der EU mehr als gefährdet ist.
                                                                                       Klaus-Rainer Martin

 

Naomi Klein

 

 Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima

 

 

Als Buch: gebunden: 26,99 €, broschiert 14,99 E: als eBook: 24,99 €

S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main

2. Auflage: März 2015, ISBN 978-3-10-002231-8

 

Sehr umfassend und genau recherchiert schildert die kanadische Journalistin und Bestseller-Autorin die Klimaschädigungen auf der ganzen Welt, die jetzt schon vorhanden sind. So wird z. B. noch viel zu wenig darüber berichtet, was die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko für Schäden nicht nur bei den jetzt lebenden Meerestieren verursacht, sondern dass auch ihre Fortpflanzung über Generationen geschädigt sein wird. Dies erwähne ich nur als kleines Beispiel dafür sein, für den Inhalt des Buches. Naomi Klein schildert sehr eindrucksvoll, was alles schon jetzt an Schäden vorhanden ist und was noch zu erwarten ist, wenn es nicht endlich gelingt, z. B. den Ausstoß an CO2   zu vermindern und die Erwärmung der Temperatur wirklich auf 2 Grad Celsius zu begrenzen.

 

Obwohl das Buch sehr dick ist – es hat 700 Seiten – habe ich es mit großem Interesse gelesen, auch weil es interessant geschrieben ist.

 

 Die Konsequenz, die Naomi Klein zieht, ist, dass es dringend große Bewegungen von unten braucht, um etwas gegen den mächtigen Einfluss des Kapitals zu erreichen. Sie vergleicht das z. B. damit, wie seinerzeit auf der Welt der Sklavenhandel und die Sklaverei überhaupt abgeschafft werden konnte. Das Buch öffnet einem die Augen dafür, was wir oft lieber verdrängen und macht Mut, sich für unsere Umwelt zu engagieren.

 

Walter Hamann

 

Ahmad Mansour

 

Generation Allah

Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen

 

Preis: als Buch: 19,99 €, als eBook: 17,99 €

S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main

Oktober 2015, ISBN 978-3-10-002446-6

 

Der Psychologe Ahmad Mansour fordert in seinem Buch eine tiefgreifende Reform des Islam: „Kontraproduktiv ist es, undifferenziert davon zu sprechen, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Das tut er nicht. Ein Islamverständnis, das mit den Werten der Demokratie vereinbar ist, gehört zu Deutschland. Muslime gehören zu Deutschland. Nicht aber das ideologisch aufgeladene Islamverständnis.“

 

Für den Autor sind die Gemeinsamkeiten eines moderaten und eines fundamentalistischen Islams noch immer groß. Diese Gemeinsamkeiten machten es zum Beispiel Salafisten leicht, Jugendliche zu erreichen, die sich bereits als Teil der muslimischen Glaubensgemeinschaft verstehen.

 

Die nötige gesellschaftliche Diskussion über die Hilfe für salafistisch verirrte junge Männer und Frauen aus Deutschland wird an diesem Buch nicht vorbei kommen. Lesenswert ist das Buch vor allem wegen seiner Alltagsnähe sowie der deutlichen und sachlichen Worte. Der Autor liefert überzeugende Argumente und einen wichtigen Beitrag in einer Debatte, die immer drängender wird.

Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Bislang stehen Politik, Gesellschaft und besonders die Schulen diesen Fragen hilflos gegenüber.

Der Autor beantwortet diese Fragen mit beeindruckender Klarheit. Denn nur wenige kennen wie er beide Seiten. Bevor er den mühsamen Ausstieg schaffte, war er selbst radikaler Islamist. Jetzt arbeitet er in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Arbeit zeigt er beeindruckend, dass eine Deradikalisierung und Entkriminalisierung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam.

Klaus-Rainer Martin

Karim EI-Gawhary und Mathilde Schwabeneder:

 

Auf der Flucht

 

Preis: 22,00 €; als eBook 16,99 €, 188 Seiten,

Verlag Kreuzmeier & Scheriau, Wien

ISBN 978-3-2180-0989-8

 

 

Das Buch "Auf der Flucht" von den Autoren Karim EI-Gawhary und Mathilde Schwabeneder ist sicherlich nicht das einzige lesenswerte Buch zum Thema Flüchtlinge. Aber es ist meine momentane besondere Empfehlung . Der Untertitel "Reportagen von beiden Seiten des Mittelmeeres" ermöglicht es, die sogenannte Flüchtlingsproblematik umfassender zu verstehen. Es ist aber nicht nur ein informatives Buch, sondern es führte mich zu der Auffassung, wer von diesem Buch nicht persönlich berührt ist, muss sich selbst fragen: "Warum nicht?" Mir standen bei einigen Stellen Tränen in den Augen. Es ist eine umfassende Schilderung von Einzelschicksalen die aber sicherlich keine Einzelschicksale sind. Es werden Gründe der Flucht packend geschildert aber ohne Verwendung eines moralischen Zeigefingers. Packend fand ich auch die Schilderungen der Hilfsbereitschaft von Menschen auf Lampedusa. Sicherlich werden diese Fluchtbewegungen, die uns wohl leider noch längere Zeit "beschäftigen" werden, unsere Gesellschaft, die Welt und jeden von uns verändern. Ich empfehle allen engagierten Helferinnen und Helfern in der Flüchtlingsarbeit dieses Buch zu lesen.

Anmerkung: Im ORF III (öffentlich Rechtliches. Fernsehen in Österreich) haben mehrere Mitarbeiter in der Vorweihnachtszeit einzelne Kapitel aus diesem Buch anstelle von Weihnachtsgeschichten vorgelesen. Dafür mein Lob und Dank!!!

Mathias Mees